Fahrradstraßen
Zuletzt aktualisiert 14.3.2024
Definition / Abgrenzung
Was sind Fahrradstraßen?
Fahrradstraßen sind dem Radverkehr vorbehaltene Straßen. Ihre definierenden Merkmale sind (vgl. Straßenverkehrsordnung (StVO) sowie Leitfaden "Fahrradstraßen für die Praxis"):
- sie sind grundsätzlich dem Radverkehr vorbehalten. Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr sowie Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der eKFV darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Freigegebene Verkehrsarten können auch gemeinsam auf einem Zusatzzeichen abgebildet sein.
- Radfahrende dürfen in Fahrradstraßen nebeneinander fahren, auch in Gruppen
- in Fahrradstraßen ist höchstens Tempo 30 erlaubt. Der Kfz-Verkehr muss, wenn nötig, langsam hinter den Fahrrädern herfahren
- die Regelbreite der Fahrgasse beträgt mindestens vier Meter
Wo dürfen Fahrradstraßen eingerichtet werden?
Die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Jahr 2021 hat die Schaffung von Fahrradstraßen deutlich erleichtert. Ihre Einrichtung ist nun auf den Straßen möglich, die eines der nachfolgenden Kriterien aufweisen (vgl. ADFC: "VwV-StVO 2021 alt - neu):
- Straßen mit einer hohen Fahrradverkehrsdichte
- Straßen mit einer zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte
- Straßen mit einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr
- Straßen mit lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kfz-Verkehr. Seit der StVO Novelle in 2021 eignen sich somit viele Straßen in bisherigen Tempo 30-Zonen als potentielle Fahrradstraßen, was zur Einrichtung beitragen kann.
Art der Umsetzung entscheidend
Es gibt derzeit in Deutschland nur wenige Ausführungen zur einheitlichen Gestaltung von Fahrradstraßen in Gesetzen und Regelwerken. Dadurch ist bundesweit eine Vielfalt an Varianten entstanden.
Entscheidend für den Erfolg einer Fahrradstraße ist die Qualität ihrer Umsetzung. Fahrradstraßen funktionieren nur dann wirklich gut, wenn sie gut gestaltet sind und den Radverkehr in den Mittelpunkt setzen. Fahrradstraßen sollten daher (vgl. Leitfaden "Fahrradstraßen für die Praxis"):
- klar und eindeutig erkennbar sein
- keinen oder möglichst wenig Kfz-Verkehr zulassen
- das Kfz-Parken an ihren Seiten weitestgehend reduzieren bzw. bei erlaubtem Kfz-Parken auf Sicherheitstrennstreifen mit einer Breite von mindestens 0,75 Meter achten, um "Dooring“-Unfälle zu vermeiden
- unterbrechungsfreies Radfahren ermöglichen
Kennzahlen
Fahrrad-Monitor 2023
Laut des "Fahrrad-Monitors 2023" des BMDV werden Fahrradstraßen durchschnittlich als positiv bewertet. Das zeigt sich zum einen daran, dass diese Art der Radverkehrsführung von Radfahrenden als sicher empfunden wird (83 Prozent sehr/eher sicher) und zum anderen daran, dass 48 Prozent der Radfahrenden, die schon einmal eine Fahrradstraße genutzt haben, die Fahrradstraße anderen Radwegen vorziehen. 45 Prozent der Befragten gaben die Nutzung einer Fahrradstraße als gleichwertig gegenüber anderen Radwegen an.
Darüber hinaus sprachen sich 39 Prozent der Befragten für die Einrichtung von mehr Fahrradstraßen aus. Dies ist eine der fünf dringlichsten Forderungen an die Politik im Bereich Radverkehrsinfrastruktur. Die besonderen Regelungen auf Fahrradstraßen werden gemäß der Publikation ebenfalls als positiv wahrgenommen. Folgende Eigenschaften von Fahrradstraßen gegenüber herkömmlichen Straßen mit Radverkehrsführung gelten als vorteilhaft:
- Breitere Fahrbahnen (48 Prozent)
- Keine anderen Fahrzeuge erlaubt, es sei denn, diese sind ausdrücklich freigegeben, z. B. Anlieger (47 Prozent)
- Radfahrende sind bevorzugt; d. h. andere Verkehrsteilnehmende müssen auf Radfahrende Rücksicht nehmen (46 Prozent)
- Radfahrende dürfen nebeneinander fahren (30 Prozent)
- Fahrgeschwindigkeit aller Verkehrsteilnehmenden maximal 30 km/h (27 Prozent)
Europäische Radfahrverband - European Cyclists’ Federation" (ECF)
Die Gesamtlänge sowie die Zahl der Fahrradstraßen in Deutschland ist nicht genau bekannt und ändert sich laufend. Es gibt kein System zur systematischen, deutschlandweiten Erfassung dieser Daten. Der Europäische Radfahrverband - European Cyclists’ Federation" (ECF) - hat auf Basis der Open-Street-Map-Daten eine Gesamtlänge von derzeit (Januar 2024) 1.669 Kilometern Fahrradstraßen in Deutschland errechnet, was 0,2 Prozent an allen öffentlichen Straßen in Deutschland ausmacht.
Prämierte Beispiele
Ein Beispiel für eine gute Umsetzung ist das Konzept Fahrradstraßen 2.0 in Münster. Die darin enthaltenen Qualitätsstandards wurden 2020 mit dem Deutschen Verkehrsplanungspreis und 2021 mit dem Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie „Infrastruktur“ geehrt: breite Fahrgassen, eine flächige Roteinfärbung und die Bevorrechtigung der Fahrradstraße an Knotenpunkten.
Die Umwandlung des Kölner Friesenwalls zur Fahrradstraße erhielt 2020 ebenfalls den Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie „Infrastruktur“. Durch die Umwandlung eines der beiden Längsparkstreifen (etwa 50 Kfz-Stellplätze) konnte die Stadt Platz für eine vier Meter Breite Fahrgasse (zuvor drei Meter) schaffen. Zudem baute die Stadt den Friesenwall an den Knotenpunkten zur Vorfahrtsstraße um.
Leitfäden / Broschüren
Die folgenden Informationen, Leitfäden und Broschüren vertiefen verschiedene Aspekte, Erfahrungen und Maßnahmen zum Thema Fahrradstraßen:
Checkliste für einladende Fahrradstraßen
In der Begleitbroschüre zum Sonderprogramm "Stadt und Land", dem Leitfaden Einladende Radverkehrsnetze, nennt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) Fahrradstraßen „ein kluges und effizientes Instrument“, um einladende und sichere Radinfrastruktur zu schaffen. Eine gut gestaltete Fahrradstraße biete „alles, worauf es ankommt, um Menschen zum Radfahren zu motivieren: ein erhöhtes Sicherheitsgefühl, schnelles Vorankommen durch Vorrang an Einmündungen sowie die Möglichkeit, nebeneinander zu fahren.“
Der Leitfaden bietet auf Seite 17 eine „Checkliste für einladende Fahrradstraßen“.
Fahrradstraßen - Leitfaden für die Praxis
Die Bergische Universität Wuppertal und das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) haben im Rahmen des NRVP-Projektes "Fahrradstraßen" den Leitfaden „Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis“ zur Gestaltung von Fahrradstraßen veröffentlicht.
Das Vorhaben verfolgte das Ziel, Empfehlungen zu Fahrradstraßen für die kommunale Praxis zu liefern. Hierzu wurden Experteninterviews, zwei Workshops sowie kameragestützte Verkehrsbeobachtungen und Befragungen in ausgewählten Fahrradstraßen durchgeführt. Der Leitfaden gibt auf 52 Seiten Hinweise für die Praxis, in dem er die Erkenntnisse in Form von verschiedenen Anwendungsfällen aufzeigt und allgemeingültige Empfehlungen kompakt zusammenfasst.
Der "Leitfaden für die Praxis - Fahrradstraßen" soll Verwaltungen, Planungsbüros, der Politik sowie allen weiteren Interessierten aufzeigen, was bei der Einrichtung von Fahrradstraßen zu beachten ist und welche Elemente gut funktionieren können. Der Leitfaden "Fahrradstraßen für die Praxis" gibt Empfehlungen für die Gestaltung von Fahrradstraßen.
Leitfaden Fahrradstraßen - Planungshinweise für die Praxis
Die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e. V. (AGFS NRW) hat sich der Förderung und Weiterentwicklung des Fuß- und Radverkehrs verschrieben. Der "Leitfaden Fahrradstraßen - Planungshinweise für die Praxis" der AGFS Nordrhein-Westfalen soll dabei helfen, die Gestaltungsgrundsätze für Fahrradstraßen und die daraus folgende Planung zu harmonisieren. Durch die Etablierung einer landesweit einheitlichen Gestaltung soll neben der Wiedererkennbarkeit auch die Akzeptanz von Fahrradstraßen verbessert werden. Auch soll durch die eindeutig definierten Gestaltungs- und Qualitätsmerkmale das von den Verkehrsteilnehmenden gewünschte Verhalten Unterstützung finden. In ihrem Leitfaden betont die AGFS NRW daher: "Als wichtiges Element hin zu einer fahrradfreundlichen Mobilität erfreut sich die Fahrradstraße immer größerer Beliebtheit in deutschen Kommunen. Dies geschieht nicht ohne Grund. Fahrradstraßen sind Verkehrsflächen, die grundsätzlich den Radfahrenden vorbehalten sind bzw. auf denen Radfahrende Vorrang haben. Dies schafft Sicherheit und Komfort und trägt dazu bei, das Fahrrad als attraktive Alternative zum Pkw zu nutzen. Die Einrichtung von Fahrradstraßen – insbesondere im innerstädtischen Verkehrsnetz – bietet somit eine große Chance, hochwertige Hauptverkehrsverbindungen für den Radverkehr zu realisieren und hiermit nicht nur den Radverkehr zu fördern, sondern einen wesentlichen Beitrag zu einer klimagerechten Mobilität zu liefern."
Leitfaden für die Umsetzung von Fahrradstraßen in Berlin
Für die Einrichtung von Fahrradstraßen sind in Berlin die Bezirke zuständig. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz hat daher einen Leitfaden für die Umsetzung von Fahrradstraßen entwickelt, damit die Bezirke rechtssicher, schnell und einheitlich handeln können.
Förderung - Fahrradstraßen
Welche Förderungen der Bund und die Länder für Projekte zu Fahrradstraßen zur Verfügung stellen, finden Sie in der Förderfibel. Dazu zählt beispielsweise auch das Sonderprogramm "Stadt und Land" des Bundes.
Themenkarte
Unsere Themenkarte zu Fahrradstraßen gibt einen Überblick zu Projekten, Beispielen und Lösungen zu Fahrradstraßen in Deutschland, die in der Planung sind bzw. bereits umgesetzt wurden.
Weitere Maßnahmen und Projekte zu Fahrradstraßen
Projekte und Best Practice-Beispiele zu Fahrradstraßen können hilfreiche Orientierungspunkte für Länder und Kommunen bilden. Sie zeigen Beispiele und Herausforderungen auf und bieten oftmals Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze für die Planung und den Bau von Fahrradstraßen.
- Bike Offenbach - Monitoring
Der Abschlussbericht zum Projekt „Bike Offenbach“ gibt Aufschluss über die Umsetzung von ca. neun Kilometern an Fahrradstraßen in Offenbach am Main und die Verbesserung der Radinfrastruktur in die Nachbargemeinden. Er umfasst auch die Anbindung von insgesamt 13 Schulen an das Fahrradnetz. Im Rahmen der Begleitforschung stand die (objektive) Verkehrssicherheit im Vordergrund.
Fahrradstraßen in Erlangen: Leitlinien der Stadt Erlangen für gestalterische Maßnahmen von Fahrradstraßen.
- Berlin Spandauer Vorstadt: Im Berliner Bezirk Mitte finden sich einige Fahrradstraßen im historischen Stadtviertel „Spandauer Vorstadt“. Anders als im restlichen Berlin gibt es hier enge Straßenräume. Auch die Belange des Denkmalschutzes sind für die Einrichtung von Fahrradstraßen eine Herausforderung.
Fortbildungen
Lehrgang PLANRAD des Mobilitätsforums Bund im BALM: Einladende Radverkehrsnetze planen und umsetzen
Radwege müssen gebaute Einladungen sein. Der berufsbegleitende Lehrgang vermittelt auf Grundlage der Begleitbroschüre "Einladende Radverkehrsnetze", des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) alle wichtigen Grundlagen für den Ausbau sicherer, einladender und bequemer Radverkehrsnetze - auch in Bezug auf Fahrradstraßen.
Der Fokus des Lehrgangs liegt auf der Befähigung von Praktikerinnen und Praktikern, Inhalte moderner Radverkehrsplanung zu vermitteln, mit denen die Ziele einer einladenden, selbsterklärenden und sicheren Radverkehrsinfrastruktur stärker befördert und inhaltlich unterstützt werden können. Der Lehrgang richtet sich daher an Mitarbeitende in der öffentlichen Verwaltung, die für ihren Arbeitgeber Verantwortung in der Radverkehrsförderung bzw. -planung übernehmen.
Wissenspool
Im Wissenspool finden Sie neben den Leitfäden und der Themenkarte noch weitere Studien, Berichte und Projekte zu Fahrradstraßen.
Weiterführende Literatur
- Die "European Cyclists’ Federation" (ECF) stellt auf ihrer Seite per Balkendiagramm das Verhältnis von Radverkehrsinfrastruktur zu allen öffentlichen Straßen in 20 Ländern dar. Abrufbar sind u. a. Daten zu km-Angaben von Fahrradstraßen (cycle streets) in europäischen Ländern.
Informationen des ADFC bezüglich gut umgesetzter Fahrradstraßen.