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Verkehrsberuhigung und Einzelhandel

Datum 6.12.2024

Bessere Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr in Innenstädten oder Stadtteilzentren können zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs gehen. Manche Einzelhändlerinnen und -händler befürchten dabei Einnahmeverluste, wenn für Kundinnen und Kunden ein geringeres Parkangebot zur Verfügung steht. Sind diese Befürchtungen berechtigt? Unser Beitrag stellt die Ergebnisse von zwei Studien zu dem Thema vor.

Studienlage

Die Rolle des Pkw beim Einkaufsverhalten von Menschen in der Innenstadt wird bisweilen überschätzt. Der lokale Einzelhandel kann sogar von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen profitieren, wie zwei Studien nahelegen.

Einkaufsstraßen in Berlin

Eine Studie des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit aus Potsdam RIFS (ehemals IASS) aus dem Jahr 2021 hat zwei Einkaufsstraßen in Berlin untersucht. Demzufolge erreichten 93 Prozent der Kundinnen und Kunden die lokalen Geschäfte nicht mit dem Pkw. Kundinnen und Kunden, die mit dem Umweltverbund zum Einkaufen kamen, sorgten für 91 Prozent der Umsätze. Die Händlerinnen und Händler selbst schätzten den Anteil der Pkw-fahrenden Kundinnen und Kunden mit 22 Prozent etwa dreimal so hoch ein, wie er wirklich war (vgl. auch von Schneidemesser et al. 2021).

Autofahrende kaufen seltener ein

Die Fachhochschule Erfurt hat in der vom Bund geförderten Studie „Mit dem Rad zum Einkaufen in die Innenstadt“ (2019) das Einkaufs- und Mobilitätsverhalten von Menschen in verschiedenen deutschen Innenstädten untersucht. Demnach generieren zwar Menschen, die mit dem Pkw zum Einkaufen kommen, im Schnitt einen höheren Umsatz pro Besuch (Abbildung 1), doch kommen Kundinnen und Kunden zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Verkehr deutlich häufiger zum Einkaufen (Abbildung 2).

Grafik mit vier blauen Balken in einem zweidimensionalen Koordinatensystem. Der durchschnittliche Umsatz pro Tag je Kundin/Kunde liegt für den Fußverkehr bei 18 Euro, beim Rad und ÖV jeweils bei 21 Euro und beim Kfz bei 25 Euro. Umsatz im Mittel je Kundin/Kunde und Tag nach Hauptverkehrsmittel, Abbildung 116 im Endbericht des NRVP-Forschungsprojektes „Mit dem Rad zum Einkauf in die Innenstadt"
Abbildung 1: Umsatz im Mittel je Kundin/Kunde und Tag nach Hauptverkehrsmittel; Quelle: Große, Christine / Böhmer, Juliane: Radverkehr in Fußgängerzonen – Endbericht des NRVP-Forschungsprojektes „Mit dem Rad zum Einkauf in die Innenstadt“, 17.9.2019, Erfurt; verfügbar unter: https://www.mobilitaetsforum.bund.de/DE/Themen/Wissenspool/Berichte/Fachhochschule-Erfurt_Endbericht-Rad-Fussverkehr-Konflikte-Potenziale_2019.html
Grafik mit vier blauen Balken in einem zweidimensionalen Koordinatensystem. Die zu Fuß anreisenden Kundinnen und Kunden sind mit 51 Besuchstagen pro Jahr am häufigsten in der Fußgängerzone unterwegs. Besuchstage im Mittel je Kunde und Jahr nach Hauptverkehrsmittel, Abbildung 117 im Endbericht des NRVP-Forschungsprojektes „Mit dem Rad zum Einkauf in die Innenstadt"
Abbildung 2: Besuchstage im Mittel je Kundin/Kunde und Jahr nach Hauptverkehrsmittel; Quelle: Große, C.; Böhmer, J. (2019)

Betrachtet man also den Umsatz pro Kundin oder Kunde und Jahr nach der Verkehrsmittelwahl, generieren Kundinnen und Kunden, deren Hauptverkehrsmittel das Kfz ist, einen geringeren Umsatz als Menschen, die zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Verkehr in die Innenstadt kommen (Abbildung 3). Menschen, die mit dem Kfz anreisen, scheinen also nicht die wichtigste Zielgruppe für den innerstädtischen Einzelhandel zu sein.

Grafik mit vier blauen Balken in einem zweidimensionalen Koordinatensystem. Mit 762 Euro Umsatz pro Jahr liegen hier die zu Fuß gehenden Kundinnen und Kunden deutlich vorn. Umsatz im Mittel je Kundin/Kunde und Jahr nach Hauptverkehrsmittel, Abbildung 118 im Endbericht des NRVP-Forschungsprojektes „Mit dem Rad zum Einkauf in die Innenstadt"
Abbildung 3: Umsatz im Mittel je Kundin/Kunde und Jahr nach Hauptverkehrsmittel; Quelle: Große, C.; Böhmer, J. (2019)

Webinar zum aktuellen Forschungsstand

Zum Thema Verkehrsberuhigung und Einzelhandel hat das Mobilitätsforum Bund am 8.10.2024 ein Webinar der Reihe Diskurs am Dienstag veranstaltet. Darin informierte Martina Hertel vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) über den aktuellen Forschungsstand zum Einkaufs- und Mobilitätsverhalten. Für eine kommunale Perspektive sorgte außerdem Stefanie Schleef, Mobilitätsmanagerin der Stadt Achim.