Jörg Welke zum Thema "Intermodalität"
Interview - Themenfokus "Intermodalität"Datum 19.2.2024
Im Interview gibt Jörg Welke, Leiter der Informationsstelle Fahrradparken, Einblicke in die Arbeit der Infostelle und berichtet über Möglichkeiten für einen Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel.
Im Rahmen des Sonderprogramms "Stadt & Land" informiert die Informationsstelle Fahrradparken, mit Sitz in Berlin, Kommunen zu allen wichtigen Aspekten rund um das Fahrradparken.
Wir haben Herrn Welke fünf Fragen zur Intermodalität und der Verknüpfung des Radverkehrs mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gestellt:
Intermodalität beschreibt die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel für eine Wegstrecke und deren Verknüpfung. Wozu brauchen wir Intermodalität und wie kann diese gelingen?
Intermodalität entsteht dort, wo ein Ziel nicht mit einem Verkehrsmittel allein erreicht werden kann, z.B. wenn Strecken für das Fahrrad zu lang oder die "erste und letzte Meile" zum und vom Bahnhof zu weit sind, um zu Fuß zurückgelegt werden können. Um beispielsweise die Verknüpfung von Fahrrad und Bahn schnell, komfortabel, sicher und damit attraktiv zu machen, müssen Fahrräder an Bahnhöfen sicher abgestellt werden können.
Welche Bedeutung kommt dabei der Verknüpfung des Radverkehrs mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu?
Wenn Menschen dazu motiviert werden sollen, auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen, müssen Alternativen geboten werden, die maximal attraktiv sind. Den größeren Streckenteil mit der Bahn zurückzulegen, ist für sich bereits vorteilhaft. Das zeigt sich am Beispiel Kfz: Kein Stress im Stau, mehr Sicherheit, mehr Zeit für andere Dinge als sich auf das Autofahren zu konzentrieren und vor allem - umweltfreundlich unterwegs zu ein. Auch der kürzere Streckenteil, der mit dem Rad zurückgelegt wird, ist für sich attraktiv: körperliche Betätigung macht Spaß und ist gesund. Nun muss also nur noch die Schnittstelle zwischen beiden Verkehrsmitteln durch sichere und einladende Fahrradparkhäuser geschlossen werden.
Welche Akteurinnen und Akteure müssten bei der Planung einer umfassenden Intermodalität mindestens eingebunden werden?
Das Fahrradparken im öffentlichen Raum - also auch am Bahnhof - liegt in der Verantwortung der Kommunen. Sie sind erste Ansprechpartner, wenn es darum geht, intermodale Wegeketten zu optimieren. Wir von der „Infostelle Fahrradparken“ unterstützen Beschäftigte in den Bau-, Verkehrs- und Planungsämtern kostenfrei im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV).
Wenn es um Flächen der DB an Bahnhöfen geht, sind natürlich die entsprechenden Stellen bei der Bahn einzubeziehen. Insbesondere die Bahnhofsmanagements haben gute und kreative Ideen, für die Sicherstellung der Anschlussmobilität. Zugängliche Mobilitätsangebote liegen im ureigenem Interesse der DB.
Wie sähe Ihrer Meinung nach eine optimale Verknüpfung/Zusammenspiel verschiedener Verkehrsmittel aus und welche Innovationen gibt es, z. B. bei Abstellanlagen und Sharing-Konzepten, damit Radfahrerinnen und Radfahrer Verkehrsmittel besser nutzen können?
Zunächst muss sichergestellt sein, dass die "Hardware" vorhanden ist und funktioniert. Das heißt, einladende, sichere und gut geführte Radwege sind Grundvoraussetzung. Sichere und komfortable Abstellanlagen, mit kürzesten Wegen zu den Eingängen der Bahnhöfe und Haltestellen kommen hinzu. Optimal ist es, wenn auch noch die - digitale - Verknüpfung von ÖPNV und Fahrradparken gelinge. So ist es sehr hilfreich, wenn Ticketingsysteme, Navigations- und Zugangs-Apps auf mobilen Telefonen integriert gedacht werden. Radelnde können dann ihre digitale Monatskarte für die Bahn auch zum Öffnen und Bezahlen eines Fahrradparkhauses verwenden.
Seit 2021 unterstützen Sie im Rahmen des Sonderprogramms „Stadt & Land“ bei der "Informationsstelle Fahrradparken am Bahnhof" zahlreiche Kommunen mit ihren Angeboten. Seit Januar 2024 trägt die Infostelle den neuen Namen "Informationsstelle Fahrradparken". Was hat es damit auf sich und welche Angebote bietet die "neue" Infostelle konkret an?
Wir kümmern uns ab sofort zusätzlich zu den Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen auch um jene an ÖPV-Schnittstellen wie U-Bahn- und Busbahnhöfen oder anderen großen Umsteigepunkten. Kürzerer Name, mehr Aufgaben auf die wir uns freuen!
Neben unseren bewährten Formaten wie den regelmäßigen Infoveranstaltungen und unserer individuellen Unterstützung kommunaler Mitarbeiter durch Vor-Ort-Termine, Stellungnahmen und Stakeholderworkshops, bauen wir unseren "Werkzeugkasten" weiter aus.
Neben der ständigen Optimierung der etablierten Planungstools wie dem Bedarfs- und Kostenrechner, dem Wirkungsrechner und den Checklisten, wollen wir in einem ausführlichen Prozess Planungsengpässe in den Kommunen identifizieren und beispielsweise Musterausschreibungen erarbeiten und somit helfen, Entscheidungen zu erleichtern und Planungen zu beschleunigen. Wir werden virtuelle 360°-Rundgänge durch verschiedene Typen von Fahrradparkhäusern anfertigen und unsere bisherigen Exkursionsangebote quasi auf den Rechner bringen und so jederzeit erlebbar machen. Ein weiteres Highlight sind drei Mikrokampagnen an ausgewählten Standorten. Fahrradparkhäuser, die noch nicht die optimale Auslastung haben - weil sie vielleicht neu, oder noch nicht so bekannt sind - wollen wir in der Bevölkerung bewerben und damit ihre Akzeptanz erhöhen und damit die Rad-Schiene-Kombination fördern.
Last but not least, wird eine Reihe von Whitepapern erarbeitet, die spezifische Aspekte des Fahrradparkens, wie z.B. Zugangssysteme, städtebauliche Einbindung, Betreibermodelle etc., näher beleuchten. Mitarbeitern in den Kommunen sollen damit Arbeitshilfen an die Hand gegeben werden, um die Planung und Bau von Fahrradparkhäusern zu erleichtern. Der Bedarf ist nach wie vor immens: Bis 2030 werden mindestens eine Million zusätzliche Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an Bahnhöfen gebraucht. Wir krempeln die Ärmel hoch.
Herr Welke, wir bedanken uns für das Interview!