Themenfokus: Fahrradbrücken
Datum 19.12.2024
Fahrradbrücken ermöglichen es Radfahrenden, direkt und sicher an ihr Ziel zu gelangen - ob über Knotenpunkte, Straßen, Eisenbahnlinien oder Gewässer. In vielen Städten werden durch Fahrradbrücken Lücken im Radwegenetz geschlossen. Das Radfahren kann so (noch) attraktiver werden. Gleichzeitig unterstreichen Beispiele aus dem Ausland, wie die Cykelslangen in Kopenhagen (Dänemark), der Hovenring in Eindhoven (Niederlande) oder der Bicycle Skyway in Xiamen (China), dass neben der reinen Funktionalität oftmals auch ein Fokus auf gestalterischen Elementen einer Fahrradbrücke liegt. An prominenten Stellen im Stadtbild integriert, können Fahrradbrücken so zu Prestigeprojekten werden, die den Ruf einer fahrradfreundlichen Stadt nach innen wie nach außen prägen können.
Wir geben wir Ihnen einen Überblick zu den Entwicklungen in Deutschland und dem Ausland, Beobachtungen zum Infrastrukturelement in der Forschung sowie Fördermöglichkeiten. Praxisbeispiele auf unserer Themenkarte können Impulse für zukünftige Projekte geben.
Definitionen
Fahrradbrücken sind Brücken, die speziell für den Fuß- und Radverkehr konzipiert sind und eine sichere und schnelle Überquerung von Hindernissen wie Flüssen, Autobahnen oder Bahnstrecken ermöglichen. Unterführungen schaffen zudem die Möglichkeit große Kreuzungen sicher und komfortabel zu umgehen.
(vgl. Plan F - Fahrradbrücken)
Was ist eine Fuß- und Radwegebrücke?
Durch den Bau einer Fuß- und Radwegebrücke können Hindernisse, wie z. B. Bahnschienen, mehrspurige Straßen, Gewässer oder andere großflächige Areale überwunden werden.
Welche Vorteile bietet eine Fuß- und Radwegebrücke?
Mit dem Bau einer Fuß- und Radwegebrücke wird die aktive Mobilität gefördert und eine Querung von Hindernissen ermöglicht. Darüber hinaus können sie, je nach Ausführung, auch Ortsteile, Quartiere oder Erholungsgebiete miteinander verbinden. Durch das Einsparen von Umwegen wird die Erreichbarkeit verbessert und verkehrsräumliche Lücken werden geschlossen.
Eine in die bestehende Wegeführung eingebundene Brücke kann sowohl für den Alltagsverkehr, als auch für touristische Aktivitäten einen Mehrwert darstellen. Durch die Trennung vom motorisierten Verkehr wird eine sichere und komfortable Verbindung für Fußgängerinnen und Fußgänger und Radfahrerinnen und Radfahrer hergestellt.
Darüber hinaus kann eine Brücke als Landmarke zur Orientierung dienen und ein architektonisch ansprechendes Gestaltungselement darstellen, das die Attraktivität der Umgebung erhöht.
(vgl. Mobilikon - Fuß- und Radwegebrücke)
Einordnung des Fahrradinfrastrukturelements
Laut der Begleitbroschüre „Einladende Radverkehrsnetze“ (S. 32) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) sind "Fahrradbrücken und -tunnel ein unschlagbar effektives Mittel, um Radfahrenden eine schnelle und sichere Querung stark befahrener Straßen zu ermöglichen oder kurze Wege anzubieten, wenn Bahnlinien, Gewässer oder Autobahnen überwunden werden müssen. Sie bieten Sicherheit, Schnelligkeit und direkte Wege. Mit einer klugen Gestaltung der Unter- und Überführungen sind sie zudem auch komfortabel zu befahren.
Jeder Höhenunterschied, der mit dem Fahrrad bewältigt werden muss, kostet Muskelkraft. Die beste Variante für den Radverkehr ist es deshalb, wenn der Radweg auf einer Ebene fortgeführt wird und die Straße mit Hilfe einer Über- oder Unterführung quert. Wo das als Option wegfällt, können Komfort und Schnelligkeit für Radfahrende gesteigert werden, indem die Fahrbahn über dem Fahrradtunnel angehoben oder unter einer Fahrradbrücke abgesenkt wird."
Beobachtung in der Forschung
Trotz ihrer wachsenden Bedeutung in der Praxis erhalten Fahrradbrücken beziehungsweise gemeinsame Fuß- und Radwegbrücken bisher noch eher wenig Aufmerksamkeit in der Wissenschaft.
Die folgende Forschungsbeobachtung trägt eine Auswahl an ausgewählten Ergebnissen - auch international - zusammen.
Verbindungen schaffen, Lücken schließen
Fahrradbrücken – ebenso wie gemeinsame Fuß- und Radwegbrücken – haben eine besondere Bedeutung im Radwegenetz. Oftmals schließen sie zentrale Lücken und verbessern so die Anbindung des gesamten Netzes (Zagorskas und Turskis 2020; Helbig 2024) 1.
Entsprechend positiv werden Fahrradbrücken als Infrastrukturelemente von Radfahrenden in Kopenhagen wahrgenommen (Prato et al. 2018) 2.
Eine Auswertung von knapp 3.400 Radfahrten zeigte, dass Radfahrende vor allem die kürzeste Route wählen. Indem sie neue Verbindungen schaffen, können Fahrradbrücken eben diese Distanz reduzieren. Die Ergebnisse des Teams um den Verkehrswissenschaftler Carlo Giacomo Prato unterstreichen zudem, dass Wege mit dem Fahrrad als kürzer empfunden werden, wenn die Streckenführung getrennt vom motorisierten Verkehr verläuft. Durch Fahrradbrücken verkürzt sich potentiell demnach nicht nur die tatsächlich zurückgelegte Distanz, sondern auch die Wahrnehmung dieser. Voraussetzung hierfür ist eine bedarfsorientierte Standortwahl sowie die Anbindung der Fahrradbrücke an das bestehende Radwegenetz (Prato et al. 2018).
Zugleich betonen die niederländischen Planer Kok und Degenkamp (2017) 3, dass Fahrradbrücken nicht nur Lücken im bestehenden Radwegenetz schließen sollten, sondern zentral bei der Konzeption des gesamten Netzes sind. Da Fahrradbrücken oftmals die am schwierigsten in den Kontext zu integrierenden Infrastrukturelemente sind, sollten sie bereits in der frühen Phase der Netzentwicklung berücksichtigt werden (Kok und Degenkamp 2017).
Planfreie Lösungen für eine höhere Verkehrssicherheit
Obwohl Radfahrende und zu Fuß Gehende insgesamt niveaugleiche Querungen bevorzugen – die Strecke ist hier im Allgemeinen kürzer und es muss kein Höhenunterschied überwunden werden – wird insbesondere bei hohen Verkehrsmengen sowie einer großen Komplexität der Bau von Fahrradbrücken über Straßen und Knotenpunkte erwogen (Miśkiewicz et al. 2017) 4.
Fahrradbrücken stellen in diesen Kontexten nicht nur den Radverkehrsfluss sicher, sondern tragen vor allem zur subjektiven und objektiven Sicherheit der Radfahrenden bei, indem aktive Mobilitätsträger vom motorisierten Verkehr getrennt geführt werden (Zagorskas und Turskis 2020).
Gleichzeitig betonen sowohl Planende als auch Forschende, dass neben dem Bau von Fuß- und Radwegbrücken immer auch ebenerdige Querungsmöglichkeiten für zu Fuß Gehende und Radfahrende berücksichtigt werden müssten (Miśkiewicz et al. 2017; Denzer und Schulz 2021 5; Soliz und Pérez-López 2022 6). Verlängert sich beispielsweise durch eine Brücke die Querungsdistanz um 50 Prozent oder mehr, würden Fußgängerinnen und Fußgänger die Fahrbahn zumeist auf Straßenniveau queren (Miśkiewicz et al. 2017). Um demnach insgesamt zur Verkehrssicherheit beizutragen, brauche es zusätzlich zu Brücken entsprechende niveaugleiche Führungen des Fuß- und Radverkehrs. Auf einer kritischen Sozialtheorie begründet argumentieren die Wissenschaftlerinnen Soliz und Pérez-López (2022), dass ansonsten durch den Bau von Fuß- und Radwegbrücken vor allem das System Auto weiter gestärkt werden würde, indem der Verkehrsfluss des motorisierten Verkehrs priorisiert und nachhaltige Mobilitätsträger zu Umwegen gezwungen werden.
Gesamtgesellschaftliche Vorteile durch mehr Radverkehr
Ob und wo eine Fahrradbrücke gebaut wird, orientiert sich unter anderem an den Bedarfen der (potentiellen) Nutzenden. Verkehrsmodellierungen erweisen sich in diesem Kontext jedoch häufig als ungenau, sofern durch die Fahrradbrücken neue Stadtquartiere erschlossen, neue Wege ermöglicht und insgesamt die Attraktivität des Radwegenetzes gesteigert werden (induzierte Nachfrage) (Cycling Embassy of Denmark 2019 7). Für die Bryggebroen in Kopenhagen konnte beispielsweise das prognostizierte Potential von 4.000 Radfahrenden pro Tag mit durchschnittlich 22.000 Radfahrenden pro Tag in 2019 deutlich übertroffen werden.
Auch die Cykelslangen in Kopenhagen wird mit 17.500 Radfahrenden täglich ähnlich stark frequentiert (Rood 2021 8). Wie auch andere Fahrradbrücken in Kopenhagen weist sie damit eine positive Kosten-Nutzen Bilanz auf: In 2019 beispielsweise trug die Cykelslangen zu einer täglichen Zeitersparnis von 380 Stunden und 1.400 weniger Autofahrten bei, was einer Rentabilität von neun Prozent entspricht (Rood 2021).
Fuß- und Radwegbrücken tragen dazu bei, Städte fußgänger- und fahrradfreundlicher zu machen. Über die positive Kosten-Nutzen Bilanz hinaus ergeben sich durch den insgesamt erhöhten Radverkehrsanteil infolge des Ausbaus von Fahrradbrücken daher weitere gesamtgesellschaftliche Vorteile. Diese beziehen sich vor allem auf die Förderung physischer und aktiver Aktivität und den damit implizierten gesundheitlichen Vorteilen Gesundheitsvorteilen sowie auf einer Reduzierung von CO2-Emissionen aufgrund einer geringeren Pkw-Nutzung (Cohn und Sperling 2016 9; Zagorskas und Turskis 2020).
Zwischen Gebrauchswert und Baukultur
Als Infrastrukturelemente haben Fahrradbrücken einen funktionalen Gebrauchswert (Nutzen). Darüber hinaus werden – insbesondere bei Brücken im Stadtgebiet – außerdem die gestalterischen Qualitäten von Fuß- und Radwegbrücken als stadt(teil)prägend hervorgehoben. Im Gegensatz zu anderen Radverkehrsinfrastrukturen werde Fahrradbrücken zumeist für einen Zeitraum von mindestens einhundert Jahren geplant (Podcast von Helbig 2024 10). Sie sind somit langfristige Bezugs- und Orientierungspunkte im Stadtbild; ihre Gestaltung und Wegeführung ist von besonderer Bedeutung (Gebreiter et al. 2022 11).
Zugleich kann der Bau von Fuß- und Radwegbrücken an zentralen Orten im Stadtgefüge die Bemühungen der Kommunen zur Förderung nachhaltiger Mobilität unterstreichen (Zagorskas und Turskis 2020). Fahrradbrücken können so zu Prestigeprojekten werden, die das Image einer fuß- und fahr-radfreundlichen Stadt kommunizieren. Der Bau ist dabei häufig in umfangreichere Umgestaltungsmaßnahmen integriert, in Zuge dessen auch die Plätze in den Rampenbereichen zugunsten aktiver Mobilitätsträger und einer erhöhten Aufenthaltsqualität gestaltet werden (Schächner 2021 12; Helbig 2024; Zagorskas und Turskis 2020).
Die Bedeutung des Kontexts
Während es bisher wenig Forschungsliteratur zu Fahrradbrücken gibt, werden immer mehr Projekte in der Praxis umgesetzt. Handlungsleitfäden, Graue Literatur, also Veröffentlichungen von Institutionen oder Organisationen, und Machbarkeitsstudien weisen hierbei insbesondere auf die Bedeutung des Kontexts bei der Planung und Umsetzung von Fuß- und Radwegbrücken hin. Berücksichtigt werden müssen unter anderem:
- potentielle Wegeführungen unter der Berücksichtigung bisheriger Fahrbeziehungen,
- Anbindung an das Radwegenetz,
- funktionale und gestalterische Anforderungen,
- technische und naturschutzrechtliche Belange,
- Integration des Bauwerks in das (städtische) Umfeld,
- Integration in bestehende und zukünftige Stadtentwicklungspläne,
- Bedarfe und Anforderungen (potentieller) Nutzende sowie weiterer Stakeholder. (ipv Delft 2017 13; Kok und Degenkamp 2017)
Die Standortwahl sowie die Gestaltung der Fahrradbrücke werden entsprechend dieser Aspekte ausgerichtet.
Nachrüstung statt Neubau?
Der Bau von Fuß- und Radwegbrücken ist ressourcenintensiv (Hudson et al. 2023). Um kurzfristig(er) Lücken im Radwegenetz zu schließen, wird daher in der Literatur und Praxis die Möglichkeit diskutiert, Radverkehrsinfrastruktur nachträglich auf Brücken für den motorisierten Verkehr zu integrieren. So halten Cohn und Sperling (2016) für den US-amerikanischen Kontext fest, dass der Ausbau von Radverkehrsinfrastruktur während Brückensanierungsprojekten die Konnektivität des Radnetzes erhöht und zur Verkehrssicherheit für Radfahrende beiträgt. Außerdem könnten weitere indirekte Vorteile beobachtet werden, da mehr Personen mit dem Fahrrad fahren. Treibhausgasemissionen würden reduziert werden und mehr Personen körperlich aktiv sein (Cohn und Sperling 2016). Es werden somit ähnliche Vorteile und Potentiale wie bei eigenständigen Fuß- und Radwegbrücken identifiziert, zugleich ist der Ausbau jedoch deutlich günstiger als ein Brückenneubau (Hudson et al. 2013). Damit diese Potentiale jedoch entfaltet werden können, müsse die Brücke insgesamt in das bestehende Radwegenetz eingebunden sein und Konfliktpunkte mit dem motorisierten Verkehr durch getrennte Führungen minimiert werden (Wang et al. 2016 14; Cohn und Sperling 2016).
Förderprogramme des Bundes
Investive Modellvorhaben
Bei diesem Programm werden Projekte gefördert,
- die zur Verbesserung der Verhältnisse für den Radverkehr beitragen, etwa durch richtungsweisende infrastrukturelle Bauwerke, wie Fahrradbrücken, Unterführungen, vollautomatische Fahrradparkhäuser oder fahrradgerechte Kreuzungslösungen an großen Knotenpunkten
und/oder - die eine nachhaltige Mobilität durch den Radverkehr sichern, etwa durch urbane oder quartiersbezogene Mobilitätskonzepte und -maßnahmen zum Radverkehr einschließlich seiner Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln und dem Fußverkehr (vgl. auch BMDV-Förderung Modellvorhaben im Radverkehr).
Weitere Fördermöglichkeiten finden Sie übrigens auch in unserer Förderfibel.
Themenkarte "Fahrradbrücken"
Unsere Themenkarte zum Fahrradinfrastrukturelement Fahrradbrücken gibt einen Überblick zu Projekten, Beispielen und Lösungen in Deutschland, die in der Planung sind bzw. bereits umgesetzt wurden.
Literaturverzeichnis
1 Zagorskas, Jurgis; Turskis, Zenonas (2020): Location Preferences of New Pedestrian Bridges Based on Multi-Criteria Decision-Making and GIS-Based Estimation In: BJRBE 15 (2), S. 158–181. DOI: 10.7250/bjrbe.2020-15.478
2 Prato, Carlo Giacomo; Halldórsdóttir, Katrín; Nielsen, Otto Anker (2018): Evaluation of land-use and transport network effects on cyclists‘ route choices in the Copenhagen Region in value-of-distance space In: International Journal of Sustainable Transportation 12 (10), S. 770–781. DOI: 10.1080/15568318.2018.1437236
3 Kok, Adriaan; Degenkamp, Niels (2017): Dutch Design Guide for Bicycle and Pedestrian Bridge Design.
4 Miśkiewicz, Mikołaj; Pyrzowski, Łukasz; Okraszewska, Romanika (2017): Pedestrian and bicycle bridges as examples of safe collision-free road crossings In: MATEC Web Conf. 122, S. 1005. DOI: 10.1051/matecconf/201712201005
5 Denzer, Alexander; Schulz, Sebastian (2021): Machbarkeitsstudie Radbrücke Weseler Straße Stadt Münster. Büro StadtVerkehr Planungsgesellschaft mbH & Co. KG. Münster
6 Soliz, Aryana; Pérez-López, Ruth (2022): "Footbridges": pedestrian infrastructure or urban barrier?
7 Cycling Embassy of Denmark (2019): Big bicycle bridges can give the city and bicycle traffic a major boost.
8 Rood, Kadri (2021): Copenhagen‘s Bridge Story | CIVITAS Handshake
9 Cohn, Jesse; Sperling, Elliot (2016): Improving Pedestrian and Bicycle Connectivity During Rehabilitation of Existing Bridges. Pedestrian and Bicycle Information Center.
10 Helbig, Thorsten (2024): Brücken - Potenziale und Perspektiven. Unter Mitarbeit von Nicole Dan-trimont (Matinee). SWR Kultur, 28.01.2024
11 Gebreiter, Daniel; Linden, Sebastian; Sander, Christiane; Schächner, Frank (2022): Fuß- und Radwegbrücken. In: Konrad Bergmeister, Frank Fingerloos und Johann-Dietrich Wörner (Hg.): 2023 BetonKalender: Wasserundurchlässiger Beton, Brückenbau, S. 647–743
12 Schächner, Frank (2021): Geschwungenes Band für eine Rad- und Fußwegbrücke über den Neckar In: Brückenbau (4-5)
13 ipv Delft (2017): Brief Dutch Design Manual for Bicycle and Pedestrian Bridges.
14 Wang, Hwa-chyi; Backer, Hans de; Lauwers, Dirk (2016): The evaluation of bicycle paths on bridges. 4th International Conference on Road and Rail Infrastructure.