S-Pedelecs
Zuletzt aktualisiert 3.1.2025
Definition
Der Begriff „Pedelec“ steht für die englische Wortkombination „Pedal Electric Cycle“. Pedelecs sind Fahrräder mit elektrischer Tretunterstützung. Im Gegensatz zum E-Bike können sie nicht allein durch den Motor angetrieben werden. Pedelecs unterstützen die Rad fahrende Person mit einem Elektromotor bis maximal 250 Watt, während des Tretens und nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Diese Definition ergibt sich aus §1 Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Das Pedelec ist dem Fahrrad rechtlich gleichgestellt.
Das Speed-Pedelec (kurz S-Pedelec) unterscheidet sich vom herkömmlichen Pedelec durch seine höhere Unterstützungsgeschwindigkeit. Während Pedelecs lediglich bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern unterstützen, verfügen S-Pedelecs über eine elektrische Tretunterstützung bis zu einer Geschwindigkeit von 45 Stundenkilometern.
Lesen Sie für eine vertiefende Diskussion der Abgrenzung dieser Begriffe die Beiträge vom ADFC und vom VCD.
Kennzahlen
Der Anteil von S-Pedelecs am Markt und Fahrradbestand ist in Deutschland noch relativ gering, wie aus den Verkaufs- und Unfallzahlen hervorgeht.
Verkaufszahlen
Während das Pedelec allgemein in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erfahren hat, ist das Aufkommen von S-Pedelecs in Deutschland noch relativ gering. Laut dem Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) wurden 2023 mit 2,1 Millionen Exemplaren mehr E-Bikes (meint hier E-Bikes und Pedelecs) gekauft als Fahrräder ohne Tretunterstützung (1,9 Millionen). Der Anteil der S-Pedelecs und E-Bikes 45 war dabei mit 10.500 verkauften Rädern im Jahr 2023 vergleichsweise noch gering. 2021 waren es 8.000 verkaufte S-Pedelecs und 2020 6.800.
Unfallzahlen
Laut der ZIV-Studie „Wo fahren Speed-Pedelecs?“ (PDF, 2,7 MB) kam es in Deutschland 2020 und 2021 zu insgesamt 520 Unfällen mit S-Pedelec-Beteiligung. Dabei verunglückten zwei Personen tödlich. 121 Personen wurden schwer und 397 Personen leicht verletzt. Im gleichen Zeitraum kam es in Deutschland zu 175.256 Unfällen mit Radverkehrsbeteiligung. 798 Menschen kamen dabei ums Leben.
2022 waren bundesweit 310 S-Pedelec-Fahrende an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, 24.004 Pedelec-Nutzende und 82.453 Personen auf einem Fahrrad (vgl. DVR 2024).
Der ZIV schreibt in seiner Studie vom November 2023: „Es ist bisher generell kein erhöhtes Unfallrisiko im Vergleich zu konventionellen Fahrrädern nachweisbar, jedoch sind die Folgen eines Unfalls bei Speed-Pedelecs oft schwerwiegender.
“
Rechtliches
S-Pedelecs sind in Deutschland als Kleinkrafträder eingestuft und somit als Kraftfahrzeuge zu behandeln (vgl. BMDV 2022).
Regeln
Für S-Pedelecs gelten die folgenden Regeln:
- Das Befahren von Radverkehrsanlagen wie zum Beispiel Radwegen ist mit S-Pedelecs nicht erlaubt. Stattdessen fahren sie auf der Fahrbahn. Dies gilt innerorts wie außerorts.
- Radfahrende auf S-Pedelecs müssen einen Helm tragen.
- An dem S-Pedelec ist ein Versicherungskennzeichen anzubringen.
- Wer ein S-Pedelec fahren möchte, benötigt einen Führerschein der Klasse AM (kann in Deutschland ab 15 Jahren erworben werden).
Ausnahmen
Zwar enthält die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) aktuell kein spezielles Zusatzzeichen für die Freigabe von Verkehrsflächen für S-Pedelecs. Jedoch können Zusatzzeichen angebracht werden, die nicht in der StVO vorgesehen sind, wenn die zuständige oberste Landesbehörde dem zustimmt. Dies geht aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) hervor:
„Abweichungen von dem in diesem Verzeichnis aufgeführten Zusatzzeichen sind nicht zulässig; andere Zusatzzeichen bedürfen der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle.
“
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), Zu den §§ 39 bis 43 StVO (Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen), III. 16. a), Ziffer 46
Entsprechende Erlasse dazu gibt es bereits seit 2018 in Baden-Württemberg (vgl. AGFK-BW 2021), seit 2023 in Nordrhein-Westfalen (vgl. Landtag NRW 2023) und seit 2024 in Hessen (vgl. HMWVW 2024).
Während in Hessen lediglich eine Freigabe auf Radschnellverbindungen möglich ist, können in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen unter Beachtung der besonderen örtlichen und verkehrlichen Gegebenheiten alle Formen der Radverkehrsinfrastruktur für S-Pedelecs freigegeben werden. Zu diesen Gegebenheiten gehören z. B. Verkehrsstärken, Verkehrszusammensetzung, Geschwindigkeitsniveaus der unterschiedlichen Verkehrsarten oder die Breite der Verkehrsfläche. Einheitliche Vorgaben dazu, welche Verkehrsanlagen für eine Freigabe geeignet sind, bestehen derzeit noch nicht. Die Entscheidung darüber liegt in der Regel bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde.
Beispiele
Tatsächlich machen von diesen Ausnahmeregelungen jedoch erst wenige Kommunen Gebrauch:
- In Hessen ist seit Mai 2024 die Radschnellverbindung zwischen Frankfurt und Darmstadt im Rahmen eines Verkehrsversuchs für S-Pedelecs freigegeben. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum sowie das Regierungspräsidium Darmstadt haben den Versuch initiiert. Die Hochschule Darmstadt begleitet den Verkehrsversuch wissenschaftlich. Ziel ist herauszufinden, ob ausgewählte Strecken, wie beispielsweise Radschnellverbindungen, auch für die Nutzung durch S-Pedelecs geeignet sein könnten. Dafür wird untersucht, ob und wo es zu Konflikten zwischen den schnellen S-Pedelecs und anderen Verkehrsteilnehmenden kommen kann.
- Die Stadt Konstanz hat bislang eine Fahrradstraße für S-Pedelecs freigegeben (vgl. ZIV 2023). Es gibt seitens der Stadtverwaltung jedoch Bestrebungen, ein S-Pedelec-Netz zu erarbeiten. Mit der entsprechenden Planung wurde ein Planungsbüro beauftragt.
- Die meisten für S-Pedelecs freigegebenen Radverkehrsanlagen gibt es bundesweit in der Universitätsstadt Tübingen. Seit 2019 hat Tübingen gezielt Radverkehrsanlagen für S-Pedelecs geöffnet und so ein 80 Kilometer langes Routennetz ausgewiesen. Unter den freigegebenen Führungsformen sind Radwege, gemeinsame Geh- und Radwege, Radfahrstreifen, Fahrradstraßen, Busspuren und Wirtschaftswege.
- Die Forschungsgruppe Sofia an der Hochschule Darmstadt und die BMDV-Stiftungsprofessur Radverkehr der Hochschule RheinMain machten im Rahmen des Forschungsprojektes S-Pe(n)delec von Herbst 2023 bis Juli 2024 Fahrversuche in Tübingen, um die Alltagstauglichkeit von S-Pedelecs zu erforschen. Durch das umfangreiche S-Pedelec-Netz bot sich Tübingen dafür besonders an. Die Forschungsergebnisse und Empfehlungen für den Ausbau einer S-Pedelec-tauglichen Radinfrastruktur werden bis Ende 2024 erwartet.
Positions- und Hintergrundpapiere
Verkehrsverbände und -vereine sowie mehrere Arbeitsgemeinschaften fahrradfreundlicher Kommunen haben zu der noch relativ jungen Fahrzeuggattung S-Pedelec Stellung bezogen. Insbesondere die Freigabe von Radverkehrsflächen für die schnellen Pedelecs ist dabei umstritten.
Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club
Der ADFC hat anlässlich der Entscheidung des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums, Städten und Kommunen die Freigabe von Radwegen für S-Pedelecs zu erlauben, im August 2023 zu dem Thema Stellung genommen. Aufgrund der Befürchtung, „dass die ohnehin unterdimensionierte Infrastruktur für den Radverkehr durch die schnellen Pedelecs überlastet würde und die Unfallgefahr steige
“, wendet sich der ADFC „gegen eine generelle Freigabe von Radwegen für S-Pedelecs
“. Auf „ausreichend breiten, weniger frequentierten Radwegen, zum Beispiel außerorts
“, könne das S-Pedelec „dagegen eine gute Lösung für die individuelle Mobilität sein
“, führt der Fahrradclub aus.
Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e. V.
Die AGFS „befürwortet den Einsatz von S-Pedelecs, da sie ein großes Potenzial für das Erreichen der Ziele im Alltagsverkehr darstellen und die Präsenz des Radverkehrs im öffentlichen Straßenraum stärken
“. Aufgrund „der großen Reichweite können S-Pedelecs einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende leisten
“, hält die Arbeitsgemeinschaft im Juli 2023 in ihrer Stellungnahme fest.
Weiter heißt es darin: „Die
AGFS
NRW vertritt die Meinung, dass S-Pedelecs infolge der innerhalb geschlossener Ortschaften geringen Geschwindigkeitsunterschiede zum
Kfz-Verkehr grundsätzlich auf der Fahrbahn verkehren sollen. Die Freigabe von innerörtlichen Radverkehrsanlagen für S-Pedelecs sollte daher nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen. Insbesondere die Sicherheit der Zufußgehenden ist grundsätzlich zu gewährleisten. Gemeinsame Geh- und Radwege sollten unter keinen Umständen freigegeben werden.
“
Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V.
Die AGFK-BW will „S-Pedelecs als Alternative zum Auto stärken
“. S-Pedelecs hätten „insbesondere im Pendlerverkehr ein großes Potential,
MIV auf das Fahrrad zu verlagern
“, stellt die Arbeitsgemeinschaft in ihrem Positionspapier vom Juli 2021 fest. „Um diese gewünschte Verlagerung zu erzielen, bedarf es allerdings der Freigabe von Fahrradinfrastruktur und Wirtschaftswegen für S-Pedelecs, da die Nutzung von Hauptverkehrsstraßen nicht zum Umstieg auf das S-Pedelec animiert.
“ Die AGFK-BW befürwortet die Freigabe von Radschnellverbindungen für S-Pedelecs, hält außerorts eine Einzelfallprüfung für notwendig und spricht sich innerorts für die vorrangige Nutzung des Kfz-Fahrstreifens aus.
Deutscher Verkehrssicherheitsrat
Der bislang kleine Marktanteil von S-Pedelecs (siehe oben) „mag nicht zuletzt daran liegen, dass ihre Nutzung in Deutschland bisher auf Radverkehrsanlagen ohne explizite Freigabe nicht gestattet ist
“, hält der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) in einem Beschlusspapier des Vorstands von Oktober 2024 fest. Die Einordnung von S-Pedelecs als Kraftfahrzeuge solle beibehalten werden. Für die Freigabe von Verkehrsflächen für S-Pedelecs seien jedoch „bundesweit einheitliche Voraussetzungen zu schaffen
“, fordert der DVR. Die Belange von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden seien dabei zu berücksichtigen. Zu den geforderten einheitlichen Kriterien stellt der DVR fest:
- Die Freigabe von Fußgängerzonen (StVO-Zeichen 242) und Gehwegen (Zeichen 239) für S-Pedelecs sei „
grundsätzlich auszuschließen
“. - Gemeinsame und getrennte Geh-/Radwege (Zeichen 240 und 241) „
sollen innerorts für S-Pedelecs grundsätzlich nicht freigegeben werden, außerorts im Einzelfall nur nach vorheriger Prüfung
“. - Selbstständig geführte Radwege „
sollten im Einzelfall nach vorheriger Prüfung für S-Pedelecs freigegeben werden können, ebenso Fahrradstraßen und Fahrradzonen, die nicht für
Kfz-Verkehr freigegeben sind
“. - Radfahrstreifen, Schutzstreifen und für Radverkehr freigegebene Bussonderfahrstreifen (Zeichen 245) „
sollten generell für S-Pedelecs freigegeben werden
“. - Landwirtschaftliche Wege, die für den Radverkehr freigegeben sind, „
sollten generell auch für S-Pedelecs freigegeben werden. Waldwege sollten hingegen nicht generell für S-Pedelecs freigegeben werden
“.
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V.
Die FGSV hat bereits 2018 eine Arbeitsgruppe zu Pedelec-tauglicher Infrastruktur unterhalb des Arbeitskreises „Radverkehr“ eingesetzt. Aufgrund der Vielfältigkeit des Themas sei „neben dem Arbeitspapier zu den infrastrukturellen Anforderungen auch eine umfassende Veröffentlichung zum Thema Pedelec geplant
“.
Verkehrsclub Deutschland
Nach Einschätzung des VCD müssen die Potenziale des S-Pedelecs „auch in Deutschland optimal genutzt werden
“, denn durch die Höchstgeschwindigkeit von 45 Stundenkilometern seien „sie auch auf Strecken über 15
km eine attraktive Alternative zum
Pkw“. Den Kommunen solle es „möglich sein, durch Einbeziehung der S-Pedelecs in die E-Bike-Regelungen und das bereits eingeführte Verkehrszeichen (alternativ mit einem weiteren neuen Zusatzschild „S-Pedelec frei“) geeignete Wege für die Nutzung von S-Pedelecs freizugeben
“, fordert der Verkehrsclub in seinem Hintergrundpapier aus dem Jahre 2021.
Zweirad-Industrie-Verband
Der ZIV hat im November 2023 eine 32-seitige Analyse zu S-Pedelecs herausgebracht. Darin vergleicht der Verband die Situation in Deutschland mit anderen Ländern wie Belgien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz. Der Verband sieht „das große Potenzial von Speed-Pedelecs für den Umstieg vom Auto auf das Rad und damit für die Mobilitätswende
“. In Deutschland könnten sie „dieses bislang allerdings kaum entfalten
“.
Zu der Frage der sichersten Führung von S-Pedelecs sei auf Basis von Unfalldaten derzeit keine eindeutige Aussage möglich. „Es gibt zum heutigen Zeitpunkt keine Evidenz, ob Speed-Pedelecs objektiv sicherer auf der Straße oder auf Radverkehrsanlagen aufgehoben sind
“, hält der ZIV fest. Die Datenlage sei „in allen Ländern in Quantität und Qualität unzureichend
“.
Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, „dass ein zentraler Faktor für die erfolgreiche Eingliederung von Speed-Pedelecs ins Verkehrssystem die Qualität der Infrastruktur, und davon ausgehend die Schaffung klarer, einhaltbarer Regelungen ist. Kleine Veränderungen können systemisch große Wirkung entfalten.
“ Verständnis und Wissen über Nutzerinnen- und Nutzergruppen von S-Pedelecs sei „weiterhin gering
“, beobachtet der Verband. „Narrative des „Wolfs im Schafspelz“ dominieren in Ländern wie Deutschland das Nutzer:innen-Bild, unter dem die Potenziale des Speed-Pedelecs für die Verkehrswende nicht im Zentrum stehen
“, kritisiert der ZIV.
Video: Mit Speed zur Verkehrswende
Zur Freigabe von Radverkehrsinfrastruktur für S-Pedelecs hat das Mobilitätsforum Bund am 17.9.2024 ein Webinar der Reihe Diskurs am Dienstag veranstaltet. In dem Webinar erläuterte Dr. Axel Wolfermann, Professor für Verkehrsplanung an der Hochschule Darmstadt, geltende rechtliche Grundlagen für S-Pedelecs. Daniel Hammer, Fachabteilung Verkehrsplanung und Projektleiter S-Pedelec-Freigabe in der Universitätsstadt Tübingen, berichtete von der Vorgehensweise und den Erfahrungen mit der S-Pedelec-Freigabe der Stadt Tübingen.