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Einführung in die kommunale Verkehrssicherheitsarbeit

Der Beitrag gibt eine Übersicht über Verfahren und Werkzeuge, die auf kommunaler Ebene geeignet sein können, die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Zuletzt aktualisiert 26.8.2024

Vision Zero

Die Vision Zero hat zum Ziel, dass niemand mehr im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt wird. Bund, Länder und Kommunen haben hierzu eine gemeinsame Strategie beschlossen: den Pakt für Verkehrssicherheit. Die Zahl der Verkehrstoten soll in Deutschland bis 2030 um 40 Prozent sinken und die Zahl der Schwerverletzen signifikant abnehmen. Diese gemeinsame Strategie verbindet alle Handelnden unter dem Leitbild „Sichere Mobilität – jeder trägt Verantwortung, alle machen mit“.

Verfahren und Werkzeuge

Auf lokaler Ebene gibt es verschiedene Verfahren und Werkzeuge, die geeignet sein können, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Die nachfolgenden Verfahren können die Verkehrssicherheitsarbeit von Verwaltungen unterstützen:

Örtliche Unfallkommission

Die Arbeit der örtlichen Unfallkommission zielt darauf ab, die Sicherheit an Verkehrsanlagen mit besonders vielen oder schweren Unfällen zu verbessern. Unfallkommissionen haben die Aufgabe, Unfallhäufungen zu erkennen, zu analysieren und zu beseitigen. Die örtliche Unfallkommission setzt sich zusammen aus Mitarbeitenden der Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden sowie der Polizei. Ihr obliegt der Beschluss von verkehrsrechtlichen und baulichen Maßnahmen sowie die Kontrolle der Maßnahmenumsetzung. Die Arbeit der örtlichen Unfallkommission ist in der Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Straßenverkehrs-Ordnung verankert und wird im Detail in Ländererlassen geregelt.

„Zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle haben Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaubehörde und Polizei eng zusammenzuarbeiten, um zu ermitteln, wo sich die Unfälle häufen, worauf diese zurückzuführen sind, und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um unfallbegünstigende Besonderheiten zu beseitigen. Hierzu sind Unfallkommissionen einzurichten, deren Organisation, Zuständigkeiten und Aufgaben Ländererlasse regeln […].“
Verwaltungsvorschrift Nr. 1 zu § 44 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO)

Eine junge Frau mit langen braunen Haaren und Pferdeschwanz steht mit einem rot-gelb-schwarzen Sicherheitsoverall an einer Kreuzung mit Zebrastreifen und hält ein Klemmbrett in den Händen. Sie ist seitlich von hinten zu sehen. Ortsbesichtigung im städtischen Bereich
Ortsbesichtigung im Rahmen der Unfallkommissionsarbeit: Die Erkenntnisse der Unfallanalyse und der Ortsbesichtigung sind Grundlage für den Beschluss von Maßnahmen zur Beseitigung der Unfallhäufung.

Verkehrsschau

Die Verkehrsschau dient der regelmäßigen Überprüfung der Straßenausstattung. Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 45 der Straßenverkehrs-Ordnung sind die Straßenverkehrsbehörden alle zwei Jahre zu einer umfassenden Verkehrsschau verpflichtet. Dabei werden der Zustand und die Erkennbarkeit der Verkehrszeichen und -einrichtungen geprüft sowie das Erfordernis von weiteren Maßnahmen zur Sicherung von gefährlichen Stellen beurteilt.

„Die Straßenverkehrsbehörden haben bei jeder Gelegenheit die Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu prüfen. […] Alle zwei Jahre haben die Straßenverkehrsbehörden zu diesem Zweck eine umfassende Verkehrsschau vorzunehmen, auf Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung und überall dort, wo nicht selten Unfälle vorkommen, alljährlich, erforderlichenfalls auch bei Nacht.“
Verwaltungsvorschriften Nr. 56 und 57 (Auszug) zu § 45 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO)

Zur praktischen Durchführung dieser Aufgabe hat die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) ein „Merkblatt für die Durchführung von Verkehrsschauen“ erarbeitet.

Sicherheitsaudit

Das Sicherheitsaudit ist ein vergleichsweise junges Verfahren im Werkzeugkasten der Verkehrssicherheitsarbeit. Für die Durchführung von Sicherheitsaudits in Deutschland wurden erstmals mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 18/2002 die „Empfehlungen für das Sicherheitsaudit von Straßen“ (ESAS) zur Anwendung empfohlen. Mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 25/2021 (ARS Nr. 25/2021, siehe PDF) wurde die Durchführung von Straßenverkehrssicherheitsaudits für bestimmte Straßen national verbindlich.

Sicherheitsaudits finden demnach grundsätzlich im Planungsprozess Anwendung, können aber auch bei bereits bestehenden Verkehrsanlagen (sog. „anlassbezogene Sicherheitsaudits im Bestand“) wichtige Erkenntnisse liefern.

„Straßenverkehrssicherheitsaudits sind in allen Planungs- und Bauphasen von der Vorplanung bis zur Fertigstellung sowie in der ersten Betriebsphase nach der Verkehrsfreigabe durchzuführen.“
ARS Nr. 25/2021, II. lit. f zu b.

Im Planungsprozess sind nach der vorangestellten Definition Sicherheitsaudits ein Teil des Qualitätsmanagements. Durch die unabhängige Überprüfung besteht die frühzeitige Möglichkeit, Defizite in der Verkehrssicherheit zu erkennen, zu beseitigen oder zu kompensieren, die sonst in der späteren Umsetzung zu Unfällen führen könnten. Da es sich um ein früh wirkendes Verfahren handelt und eine freiwillige Anwendung dieses Verfahrens nicht untersagt ist, können Sicherheitsaudits auch fest in dem Planungs- und Bauprozess sämtlicher Straßenklassifizierungen vorgesehen werden.

Das Sicherheitsaudit im Bestand dient dazu, sicherheitsrelevante Defizite in der Infrastruktur einer Verkehrsanlage zu erkennen und damit verbunden die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen bzw. zur Minderung von Unfallfolgen einzuleiten.

Netzanalysen

Die Netzanalyse dient der Identifizierung von Straßenabschnitten mit einem überdurchschnittlichem Unfallgeschehen. Durch dieses Verfahren lassen sich Straßenabschnitte mit einem auffälligen Unfallgeschehen erkennen und Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit priorisieren.

Die Durchführung von Netzanalysen basiert auf den „Empfehlungen für die Sicherheitsanalyse von Straßennetzen“ (ESN) auf der Grundlage von Unfalldaten. Künftig wird aber auch eine Bewertung der Verkehrssicherheit – unabhängig vom Unfallgeschehen – allein über Defizite in der Gestaltung von Verkehrsanlagen möglich sein (vgl. BASt 2024).

„Das Verfahren der netzweiten Straßenverkehrssicherheitsbewertung tritt an Stelle des vorherigen Verfahrens der Sicherheitseinstufung und -managements [sic] des in Betrieb befindlichen Straßennetzes. Anhand des Verfahrens erfolgt eine Sicherheitseinstufung für alle Abschnitte des betrachteten Straßennetzes in verschiedene Prioritäten. Im Gegensatz zu der bisher angewandten Sicherheitseinstufung wird die Einstufung nicht mehr ausschließlich anhand von Unfallkenngrößen vorgenommen, sondern zudem auf Basis einer – entweder vor Ort oder mit elektronischen Mitteln durchgeführten – visuellen Untersuchung der Infrastrukturmerkmale der Straße.

Zur bundeseinheitlichen Anwendung entwickelt die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) derzeit ein Verfahren für eine mit elektronischen Mitteln durchgeführte Untersuchung für die Bundesfernstraßen und wird nach Abschluss erstmalig 2024 und dann alle fünf Jahre Bewertungen für das Bundesfernstraßennetz durchführen und Ihnen die Ergebnisse zur weiteren Analyse (vgl. Art. 6a) und Identifizierung möglicher Verbesserungsmaßnahmen zur Verfügung stellen.“
ARS Nr. 25/2021, II. lit. f zu c.

Schulwegpläne

Nach einer aktuellen Forschung der Unfallforschung der Versicherer (UDV) lernen Kinder erst mit zunehmendem Alter, Entfernungen und Geschwindigkeiten von Fahrzeugen sowie komplexe Situationen im Straßenverkehr gut einzuschätzen. Damit sie den Weg zur Schule sicher bewältigen können, sind neben der Mobilitätsbildung Schulwegpläne ein wichtiger Bestandteil sicherer Schulwege. Schulwegpläne zeigen Kindern und Eltern sichere Wege zur Schule und sensibilisieren sie für potenzielle Gefahrenstellen auf dem Schulweg.

Ein Kind steht mit einem Tretroller am Rande eines Bürgersteigs am Fahrbahnrand und will eine Straße überqueren, auf der ein Auto und ein Bus unterwegs sind. Kind mit Scooter überquert Straße
Gefahrenzone: Ein Kind mit Tretroller will eine Straße überqueren

Öffentlichkeitsarbeit

Öffentlichkeitsarbeit kann die kommunale Verkehrssicherheitsarbeit begleiten. Portale zur Bürgerbeteiligung oder Kampagnenarbeit können dazu beitragen, Unfällen vorzubeugen und das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Verkehrssicherheitskonzepte

Verkehrssicherheitskonzepte bzw. -programme können den Rahmen für eine strukturierte Verkehrssicherheitsarbeit in den Gemeinden und Landkreisen bilden. Der Bund hat dazu 2021 ein Verkehrssicherheitsprogramm geschaffen, das Länder und kommunale Spitzenverbände einbindet, aber auch die Fachöffentlichkeit bei Verbänden, Institutionen und Unternehmen. Die verschiedenen Akteurinnen und Akteuren der Verkehrssicherheitsarbeit können durch Zusammenarbeit auf die Erreichung der Vision Zero hinwirken.

Zu den Inhalten dieses Beitrags

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit der LISt Gesellschaft für Verkehrswesen und ingenieurtechnische Dienstleistungen mbH entstanden.