Gesunde Radrouten NRW
Zielgruppenspezifische Strecken in wohnortnaher Umgebung1.4.2007 - 1.3.2009
Nordrhein-Westfalen
17.5.2009
1. Ausgangssituation, Darstellung der Projektidee und Ziele
Radverkehrsförderung ist immer auch Gesundheitsförderung. Mit dem Projekt "Gesunde Radrouten NRW" werden wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen Sport sowie Prävention und Rehabilitation mit aktuellen Methoden der Sportraumplanung auf der Basis von Geographischen Informationssystemen (GIS) verknüpft. Ziel ist es, die körperliche Aktivität mit dem Fahrrad im Alltag zu fördern.
Die gewonnen Erkenntnisse werden genutzt, um zunächst in Nordrhein-Westfalen Radtouren entlang des Radverkehrsnetzes NRW mit Bezug auf den individuellen gesundheitlichen Nutzen und eine adäquate Belastung zu typologisieren. Die Ergebnisse werden auf einer eigenen Website veröffentlicht und im Sinne der Interaktivität und bestmöglichen Belastungssteuerung auf den Nutzer individualisiert.
Das Ziel des Projekts ist die Steigerung der Nutzung des Fahrrads unter gesundheitssportlichen Aspekten. Dies wird mittels einer individuellen Belastungssteuerung von zielgruppenspezifischen Radrouten in wohnortnaher Umgebung erreicht. Durch den eindeutigen Bezug von Routen zu gesundheitlichen Aspekten wird dem Nutzer der individuelle Profit und Benefit der Fortbewegung mit dem Fahrrad deutlich, ohne dem basalen Aspekt des Radfahren (Spaß, Erlebnis, etc.) zu widersprechen. Dabei stehen leicht erreichbare, wohnortnahe Routen im Vordergrund, die bei der Erledigung alltäglicher Besorgungen, auf dem Weg zur Arbeit oder nach Feierabend genutzt werden können.
Die Informationen im Internetportal bestehen daher nicht nur aus einer Routenbeschreibung. Der Nutzer erhält darüber hinaus eine Fülle von Informationen rund ums Thema Radfahren, wie z.B. Erläuterungen des gesundheitlichen Nutzens, Tipps zur Auswahl des richtigen Fahrrades und zur ergonomischen und damit langfristig komfortablen Einstellung von Sitzhöhe, Sattel, Lenker.
2. Projektdurchführung
Um aus einer regelmäßigen ausdauerbasierten Bewegung gesichert positive Effekte erzielen zu können ist die individuelle Steuerung der Belastung/ Beanspruchungssituation des einzelnen Nutzers entscheidend. Der aktuelle Ansatz zur optimalen und individuellen Steuerung von Belastungssituationen geht davon aus, dass über die Vorgabe von Richtintensitäten (z.B. Watt an Ergometern bzw. Geschwindigkeit) ein Training wesentlich exakter gesteuert werden kann als über die Herzfrequenz. So ist es möglich, jeder Person eine individuell optimale Belastungssituation zu garantieren. Die Belastungsintensität ist im Gegensatz zu Beanspruchungsgrößen wie der Herzfrequenz nicht biologischen Schwankungen unterworfen und kann mittlerweile auch für einzelne Routen sehr gut berechnet werden. Zudem können an Hand von Referenzdaten die unterschiedlichen individuellen Leistungsprofile von potentiellen Nutzern in einem physikalisch-physiologischen Modell bestimmt werden. In dieses Modell gehen die anthropologischen Daten des "Musternutzers", die Streckenlänge, die jeweiligen Steigungsabschnitte sowie Luft- und Rollwiderstand mit ein. So können Radrouten und Zielgruppen aufeinander abgestimmt werden.
Umgesetzt wird dies in einer Datenbank basierten Internetplattform, welche es dem Nutzer ermöglicht in drei Schritten eine für ihn individualisierte Radroute auszuwählen.
Die drei Schritte zur gesunden Radroute sind:
1. Fitnessgruppe bestimmen
2. Region wählen
3. Route wählen
Die ausgewählte Tour wird in einer Karte dargestellt und kann als GPS Track bzw. im Ausdruck als Fahrtbeschreibung heruntergeladen werden. Außerdem stehen den Nutzern weitere Features zur Verfügung. Die gefahrenen Routen können in einem Trainingskalender verwaltet und mit zusätzlichen Daten wie Herzfrequenz, tatsächliche gefahrene Geschwindigkeit etc. belegt werden. Gefahrene Strecken können zudem allgemein bewertet werden.
Der Upload von weiteren persönlichen GPS Tracks ist möglich und erwünscht. Somit hat jeder Nutzer die Möglichkeit, auch für seine persönlichen Routen eine Richtgeschwindigkeit zu erhalten. Ein integriertes Forum ist offen für Anregungen und Kritik, bietet aber auch die Möglichkeit, sich einfach zu einer gemeinsamen Radtour zu verabreden.
Die bereits geplanten Routen wurden zum größten Teil durch aktive Testfahrer des ADFC überprüft, abgefahren und auf ihre Belastung für die entsprechende Zielgruppe hin untersucht. Insgesamt wurden 25 Kreise durch den ADFC überprüft.
Es wurde eine Checkliste zur Routenbewertung ausgearbeitet. Diese Liste bekam jeder Routentester an die Hand. Sollte eine Route bzw. Teilstücke der Route nicht wie geplant befahrbar sein (Hindernisse, Treppen etc.), wurde dies in der Checkliste vermerkt und die betreffende Route dementsprechend abgeändert.
Vernetzung auf Projekt- und kommunaler Ebene
- Zentrum für Gesundheit (ZfG): Projektleitung, inhaltliche Gestaltung, Koordination der Projektpartner, wissenschaftliche Begleitung und Analyse.
- ADFC: Überprüfung der Radrouten vor Ort bezüglich Fahrbarkeit, Sicherheit, etc., Distribution des Infoflyers.
- Ingenieurgruppe IVV (Partner des Landes NRW beim Aufbau des Radverkehrsnetzes NRW): Beratende Funktion bei der Entwicklung und Erarbeitung der Routen auf Basis des Radroutenplaner NRW.
Beschreibung der einzelnen Projektelemente
1. Projektjahr:
- Typisierung von Radfahrtypen / Zielgruppen: Ü 50, Herz-Kreislauf Sportler, Fitness- / trainingsorientierte Radfahrer, Familien, etc.
- Erarbeitung und Definition der sportwissenschaftlichen Parameter und Kenndaten
- Zusammenführen der Erkenntnisse in die Auswertung mittels GPS und Typisierung der Radrouten nach Länge, Höhenprofil, Höhenmeter, empfohlene Durchschnittsgeschwindigkeit
- Beginn der Überprüfung der Routen vor Ort durch die Kreisverbände des ADFC nach Start / Ziel, Topographie, Streckencharakteristik, Attraktivität und Sicherheit, Abfahren der Routen, Checkliste und Fragebogen; Ausführung parallel
- Zwischenpräsentation
2. Projektjahr
- Fortführung der Typisierung und Überprüfung der Routen
- Einrichtung der Homepage mit detaillierten Routenbeschreibungen, Trainingshinweisen, Tipps zur Fahrradergonomie, etc.; Gestaltung und erste Programmierung durch Agentur, Inhalte, Methodik, etc. durch das ZfG, weiterer Ausbau und Pflege durch ZfG; Dauer: permanent
- Kommunikation: Entwicklung eines optischen Auftritts inkl. Piktogrammen, Entwicklung von PR-Inhalten, PR-Arbeit über eigenen Verteiler, Produktion und Verteilung eines Informationsflyers, Auftritte auf Messen, Kongressen, etc., eigene Veranstaltungen vor Ort
- Auswertung und Analyse mit besonderer Betrachtung der Nachhaltigkeit und der Übertragbarkeit auf andere Kreise und Bundesländer
- Abschlusspräsentation
3. Ausblick
Aktueller Stand
Das Projekt "Gesunde Radrouten NRW" wurde zum 31.05.2009 abgeschlossen. Die Internetplattform wurde online geschaltet und ist kostenlos nutzbar. Über die Aussendung von Infomaterial sowie die mediale Aufbereitung in einem Info-Film sowie der Aussendung eines Sondernewsletters des ZfG wird das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt. Zur Nutzung von Synergieeffekten werden zudem die Multiplikatorenschulungen und Radfahrkurse des Projektes RADFIT als Möglichkeit der Verbreitung genutzt. In weiterer Folge ist eine Zusammenarbeit mit Tourismus- und Gesundheitsregionen angestrebt.
Besonders im Bereich Tourismus wird von großen Synergieeffekten ausgegangen, da sich 64 Prozent der Radurlauber über das Internet informieren (laut der Grundlagenuntersuchung "Fahrradtourismus in Deutschland 2009"). Die Kalkulation der benötigten Dauer einer Radtour ist individuell möglich, so dass Interessierte ihren Radurlaub besser planen können.
Die erwartete stärkere Nutzung des Radverkehrsnetzes im Freizeitbereich wird mittelfristig auch eine Erhöhung des Radverkehrsanteils im Alltag ermöglichen, da sämtliche Radrouten in wohnungsnaher Umgebung liegen bzw. verkehrsgünstig und leicht zu erreichen sind. Dies hat der Realitätscheck durch den ADFC bestätigt.
Durch die Verfügbarkeit im Internet ist eine dauerhafte und nachhaltige Entwicklung und Nutzung der Radrouten zu erwarten. Besonders wertvoll sind die in diesem Pilotprojekt in NRW entwickelten Kenntnisse und Methoden für eine Ausweitung des Konzepts auf weitere Bundesländer oder auf Bundesebene. In dieser Hinsicht wurden mit dem möglichen Upload eigener Routen bereits die Weichen für eine Erweiterung auf Bundesebene gestellt.
Noch ungelöste Fragen / Probleme
Die automatisch generierten Fahrtbeschreibungen erwiesen sich als nicht besonders benutzerfreundlich. Sie sind oft schwer verständlich und nicht optimal geeignet ein flüssiges dauerhaftes Radfahren auf einer gewählten Route zu ermöglichen. Zudem sind stadt- und wohnortnahe Touren, teilweise auf Grund von schlecht abgetrennten Radwegen sowie hohen Verkehrsaufkommen etc. nur eingeschränkt als Radtour zu empfehlen.
Es wurde versucht, die automatisch generierten Fahrtbeschreibungen über die genaue Angabe von Anfangs- und Endpunkt der Route zu verbessern. Überdies wurde eine Email-Adresse für Verbesserungen eingerichtet.
Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?
Das Projekt "Gesunde Radrouten NRW" verfolgt den Ansatz mittels neuer Technologien wie GPS und Internet innovative Möglichkeiten zu schaffen, um körperliche Aktivität individuell zu steuern. Das Online-Angebot macht es möglich, individuelle Leistungsdaten von Nutzern (anthropometrische Daten etc.) mit objektiven Raumdaten (GPS) zu verknüpfen. Das Ergebnis ist eine individuelle nutzer- und routenabhängige Richtgeschwindigkeit, die zu einer optimalen Belastungssituation beim Radfahren führt. Über diese Belastungsteuerung kann ein gesicherter gesundheitlicher Benefit für den Nutzer erreicht werden, Über- und Unterforderung werden vermieden.
Die Verbreitung von GPS Geräten nimmt immer mehr zu und führt zu neuen Möglichkeiten der Aufzeichnung sowie der Steuerung von körperlicher Aktivität im Raum. In diesem Sinne wurde das Portal interaktiv ausgelegt und ermöglicht neben den Download von GPS basierten Routeninformationen auch den Upload eigener GPS Koordinaten (Tracks).
In folgenden Bereiche sind bereits erste Kontakte hinsichtlich einer Übertragbarkeit geknüpft worden:
- Wandern (Bad Honnef, Dr. Marsteller)
- Rehabilitationseinrichtungen Herz- Kreislauf- Erkrankungen (Klinikverbund Bad Seegeberg)
- Steuerung Hybrid Fahrräder/ Pedelecs (FH Köln)
- Telemedizin
- COR Magicum (Gesundheitsregion Bad Segeberg)
Finanzierung
Finanzierung
Bundesmittel
Projektträger & Beteiligte
Projektdurchführende Institutionen
Land
Projektleitung
Deutsche Sporthochschule Köln, Zentrum für Gesundheit
Projektbeteiligte
Prof. Dr. Froböse, Felix Matthäi, Dirk Steines, Michéle Volkenrath, Sven Wietstock, Verena Reif (ADFC), Birgit Wallmann, Bianca Biallas, Daniela Theisen, Dana Jung, Nina Kehr, Stefanie Sump
Laufzeit
Dauermaßnahme
Nein
Ansprechpartner auf Projektebene
Felix Matthäi
Deutsche Sporthochschule Köln, Zentrum für Gesundheit
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
+49(0)221/4982-4570
Erscheinungsdatum: 8.7.2009
Autor: Felix Matthäi, Deutsche Sporthochschule Köln, Zentrum für Gesundheit