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Unabhängige Mobilität - aber sicher! - Integration er-fahren

Radfahrkurse für Frauen mit Migrationshintergrund
Projektzeitraum

1.6.2011 - 1.12.2011

Land

Hamburg

Stand der Information

19.4.2012

Logo "Modellvorhaben Nicht-Investiv" der Logofamilie Radverkehr des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Die Farbe des Logos ist lila. Neben dem Schriftzug deutet ein Kreis mit sich überlagernden Elementen ein Rad mit Speichen an.

Radfahrkurse für Frauen mit Migrationshintergrund, "Frauen-Fahrrad-Patenschaften" und Ausbildung von Migrantinnen zu Fahrradtrainerinnen

Radfahrschülerinnen Gruppe

Allgemeines

Bekanntlich ist nicht in jedem Kulturkreis das Radfahren gleichermaßen verankert. Räumliche Mobilität ist in unserer Gesellschaft aber eine Grundvoraussetzung, um an der Arbeits- und Wissensgesellschaft zu partizipieren und sie trägt entscheidend zur sozialen Integration bei. Gerade eine multikulturelle (Groß-)Stadt muss sich mit der Frage befassen, wie Zugang und Teilhabe an Mobilität gleichermaßen und insbesondere auch umweltfreundlich gelingt. Das Projekt "Unabhängige Mobilität ? aber sicher? Integration er-fahren" wurde vom 01.06.2011 bis 29.02.2012 im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans (NRVP) gefördert. Träger (Organisation und Koordination) des Projekts war die Türkische Gemeinde Hamburg und Umgebung e.V. (TGH) mit der Unterstützung zahlreicher Trainerinnen und NGO's die das Projekt ehrenamtlich unterstützten.

Projektidee und Zielsetzungen

Radfahrkurse für Erwachsene gibt es mittlerweile überall. Das Projekt verfolgte einen zielgruppenorientierten Ansatz für eine bestimmte Gruppe von Frauen mit Migrationshintergrund: Bürgerinnen, die noch wenige Erfahrungen mit dem Fahrradfahren haben. Das Projektkonzept erweitert daher das typische Konzept "Radfahrschule" um die Komponenten "Verkehrskunde" und "alltagsnahe Fragestellungen" rund um das Thema Fahrrad, damit eine sichere und selbstbewusste Verkehrsteilhabe gelingt. Ziel war nicht nur, dass Migrantinnen das Radfahren erlernen, sondern auch, dass deren Wissen zu Fragen des sicheren Radfahrens im Verkehrsalltag gefördert wird, um der Mobilitätsarmut unter Migrantinnen entgegen zu wirken.

Zwei weitere Projektelemente waren die "Frauen-Fahrrad-Patenschaft" und die Ausbildung von Migrantinnen zu Fahrradtrainerinnen. Einerseits sollte durch die Patenschaften die Beziehung zwischen Frauen aus der Mehrheitsgesellschaft und den Frauen mit Migrationshintergrund gestärkt werden, andererseits sollte die Ausbildung von Radfahrtrainerinnen interessierten Frauen eine Perspektive im Konzept Radfahrschule ermöglichen.

Beschreibung der Ergebnisse

Fahrradkurse

Das Konzept wurde in zwei Radfahrkursen getestet. Insgesamt haben 35 Frauen aus neun verschiedenen Ländern teilgenommen. In den Kursen mit jeweils 15-20 Teilnehmerinnen haben die Frauen in 30 Unterrichtsstunden (5 Tage mit je 3 Stunden Theorie und Praxis) in zwei Wochen das Radfahren erlernt. Das zusätzlich entwickelte Lernheft diente der verkehrskundlichen Wissensbildung mit 15 Verkehrs- und Alltagssituationen bebildert und sprachlich entsprechend der Zielgruppe aufbereitet. Durch den Einsatz von bildlichem Lernmaterial wurden Sprachbarrieren überwunden. Weiterhin wurde mit einem "Verkehrsboard" gearbeitet, das es ermöglichte, die im Heft abgebildeten Situationen nochmals nachzustellen. Darüber hinaus wurden alltagspraktische Dinge (das richtige Licht am Rad, Schlauch flicken, Rad aufpumpen, richtig anzuschließen) geübt. Zum Beginn der Kurse wurde das Erlernen von Übungen mit dem Erwachsenenroller trainiert, im weiteren Verlauf folgten diverse Übungen mit dem Lernrad sowie anschließende Üben des Radfahrens im Verkehr. Hierbei wurden die Teilnehmerinnen in sehr kleine Gruppen aufgeteilt (5-6 Frauen), um das Fahren zunächst in verkehrsarmen Gebieten zu üben.

Durch die Kooperation mit verschiedenen Akteuren standen insgesamt 10 Lernroller und 10 neue Lernräder zur Verfügung. Um allen Teilnehmerinnen ein spezifisches Lernrad zur Verfügung stellen zu können, wurden zusätzliche Räder in Form von gebrauchten Mini-oder Klapprädern aus den 1970er Jahren akquiriert. Die Stadtentsorgung Hamburg hatte diese Räder zusammen getragen, eine Arbeitsloseninitiative hat diese mit einer Fahrradwerkstatt in ca. 60 Stunden kostenfrei fahrbereit gemacht und zwischen den Kursen gewartet und instand gehalten.

Fahrradpatenschaft

Am Projektteil "Fahrradpatenschaft" haben verschiedenste migrationsnahe Institutionen und eine fahrradnahe Organisation teilgenommen. Obwohl die direkte Ansprache über Mailverteiler genutzt und Gespräche bei Veranstaltungen geführt wurden, konnte dieser Teil des Projektes nicht verwirklicht werden, denn es fanden sich zwar (deutsche) interessierte Frauen, aber keine mit Migrationshintergrund.

Die gesamte Projektkonzeption geht in überwiegenden Teilen auf. Sehr positiv wurde die Vermittlung der Verkehrskunde aufgenommen und die weiteren erlernten Alltagselemente im Umgang mit dem Fahrrad. Hierbei steht nicht nur Wissensbildung im Bereich von Verkehrskunde im Vordergrund, sondern auch die Ausbildung einer Fachsprache. Die Ausbildung einer Radfahrtrainerin mit Migrationshintergrund ist gelungen und darf dennoch als eine Ausnahme betrachtet werden. Die Patenschaftsidee braucht einen längeren planerischen Vorlauf.

Materialien zum Projekt

Zum Projekt wurde ein "Rad(t)-geber zur Durchführung von Radfahrkursen für Frauen verschiedenster Kulturen" entwickelt, der potentielle Trainerinnen unterstützen und ermutigen soll, das erarbeitete Konzept aufzugreifen und das Material in weiteren Radfahrkursen bundesweit einzusetzen. Ein Expertenaustausch mit einer anderen Radfahrschule des ADFC e.V. verhalf dazu, um sich über Herangehensweise, Übungen und Nachhaltigkeit von Radfahrkursen auszutauschen.

Heft I arbeitet mit einem Mix aus grafischen Abbildungen und Fotos anhand deren sowohl Verkehrskunde als auch Alltagsituationen rund um das Rad gezeigt werden: Erlernen von (Fahrradfach-)Sprache sowie verschiedene Verkehrssituationen die richtiges und falsches Verhalten zeigen, Lernfelder geben Raum für eigene Notizen der Teilnehmerinnen. Es wurden 250 Exemplare gedruckt.

Heft II ist ein Praxis Rad(t)geber für Radfahrtrainer/Innen. Hierbei werden Übungen mit dem Lernroller als auch mit dem Lernrad für Erwachsene gezeigt. Es thematisiert, wie man einen Radfahrkurs plant, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind und wie die Durchführung gelingt. Hier wurden 20 gedruckte Exemplare erstellt.

Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?

Die Idee der Förderung von Frauen mit Migrationshintergrund ist von hoher Brisanz. Das vorliegende Konzept enthält Ansätze mit Modellcharakter: Eine bisher noch wenig angesprochene Zielgruppe wurde zum Radfahren motiviert. In den Kursen wurden theoretische und praktische Kenntnisse zum Radfahren vermittelt sowie die unabhängige Mobilität durch das erlernte Radfahren an sich.

Das Projekt ist im Bereich der Förderung der Nahmobilität und der Vermittlung sicherheitsrelevanter Fragestellungen zum Thema Radfahren zu verorten. Darüber hinaus kann ein wesentlicher Beitrag zur sozialen Integration der betroffenen Frauen geleistet werden.

Die Frauen wurden zum Radfahren motiviert - eine Fertigkeit, mit der man in westlichen Kulturen ganz selbstverständlich aufwächst. Rad fahren zu können bedeutet nicht nur die Fortbewegung von A nach B, sondern insbesondere für die Zielgruppe des Projektes ein deutliches Mehr an Autonomie, was wiederum dem Integrationsprozess wichtige Impulse verleiht. Die Migrantinnen profitieren außerdem vom sicheren und selbstbewussten Verhalten im Verkehr sowie von der gesundheitsfördernden Bewegung. Ihre Vorbildfunktion kann wiederum einen positiven Effekt auf das Mobilitätsverhalten ihrer Kinder haben. Durch Frauen-Partnerschaften und Ausbildung der motivierten Frauen zu Trainern, die Ihr Wissen weitergeben können, hat das Projekt eine gute Grundlage für eine langfristige Weiterführung. Die Weitergabe der Lernmaterialien soll zur Verbreitung der Idee beitragen und zur Nachahmung animieren. (z.B. Kooperationsprojekt "FahrRad"-Kampagne für türkischstämmige Migrant/-innen der Türkischen Gemeinde in Deutschland).

Die Ergebnisse des Projektes werden unter anderem in 2012 eingesetzt:

  • Das GuggenheimLAB in Berlin www.bmwguggenheimlab.org möchte mit dem ADFC Berlin Radfahrkurse zum Thema "Rad fahren für Migrantinnen" durchführen. Das Lernheft wird hier eingesetzt.
  • Radfahrschulen in Berlin, Bonn, Bremen, Bielefeld, Köln, Rodgau und HH-Norderstedt nutzen Exemplare des Lernheftes bzw. Rad(t)geber.
  • die Radfahrschule Bonn beabsichtigt, das Konzept "Frauen-Fahrrad-Patenschaft" einzuführen.
  • Frauenverbände und Frauen-nahe Organisationen, wie das FLAKS in Hamburg haben das Thema in den Fokus genommen und führen derzeit (April 2012) einen Kurs nach dem genannten Schema durch.

Unabhängige Mobilität - aber sicher! - Integration er-fahren - Bilderstrecke

Bild / Video 01 / 06

Drei Radfahrschülerinnen

Finanzierung

Finanzierung

Bundesmittel

Gesamtvolumen

24.599 Euro

Das Projekt wurde aus den Mitteln zur Förderung des Radverkehrs gefördert (Nationaler Radverkehrsplan ? NRVP). Über die Förderung hinaus wurde das Projekt durch Sachspenden der AIW Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg und der Stadtreinigung Hamburg sowie ehrenamtlicher Arbeit (Aufbereitung der gespendeten Fahrräder) unterstützt (s.o.).

Ein Teil der eingesetzten Mittel war für die Konzeption und Erstellung des "Rad(t) -gebers zur Durchführung von Radfahrkursen für Frauen verschiedenster Kulturen" vorgesehen.

Weitere einzuplanende Kosten:

  • Honorare für das Personal der Radfahrkurse, Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit
  • Druckkosten Lernmaterial
  • ggfs. Leihgebühren für (zusätzliche) Räder und Roller, Materialkosten (Aufrüstung/Instandsetzung der Räder und Roller)
  • empfohlen: Kinderbetreuung (nur dann sind die beteiligten Frauen in der Lage sich auf das Erlernen des Radfahrens voll und ganz zu konzentrieren)

Evaluation

Ja. Die Evaluation wurde von der Türkischen Gemeinde Hamburg und Umgebung e.V. selbst durchgeführt.

In den Radfahrkursen wurden Fragebögen mit kurzen Frage- und Antwortschemata, zur Überwindung möglicher Sprachbarrieren, an die Teilnehmerinnen verteilt: zu Beginn des Kurses, direkt nach dem Kurs sowie acht Wochen nach Beendigung des Kurses.

Projektträger & Beteiligte

Projektdurchführende Institutionen

Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private

Projektleitung

Türkische Gemeinde in Hamburg und Umgebung e.V.

Laufzeit

Dauermaßnahme

Nein

Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation

Kommunale Ansprechpartner

Heike Bunte

Türkische Gemeinde in Hamburg und Umgebung e.V.

Inhaltliche Ansprechpartnerin

Hospitalstraße 111/TGH Haus 7

22767 Hamburg

040/41355543

www.tghamburg.de

Ansprechpartner auf Projektebene

Meryem D. Celikkol

Türkische Gemeinde in Hamburg und Umgebung e.V.

Hospitalstraße 111/TGH Haus 7

Geschäftsführerin

Hospitalstraße 111/TGH Haus 7

22767 Hamburg

040/4136609-13

www.tghamburg.de

Erscheinungsdatum: 19.4.2012

Autor: Heike Bunte (TGH), Andrea Kolodziej (Umweltbundesamt)