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Einsatzbereiche von Radfahrstreifen in Mittellage

Verkehrssicherheitsuntersuchung
Projektzeitraum

1.6.2015 - 1.11.2017

Land

Berlin

Stand der Information

30.6.2015

Logo "Modellvorhaben Nicht-Investiv" der Logofamilie Radverkehr des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Die Farbe des Logos ist lila. Neben dem Schriftzug deutet ein Kreis mit sich überlagernden Elementen ein Rad mit Speichen an.

Unfälle mit rechtsabbiegenden Kraftfahrzeugen und Radfahrenden sind von besonderer Brisanz. Für den zu untersuchenden Lösungsansatz des Radfahrstreifens in Mittellage (RiM) und dessen Sicherheitswirkung gibt es bisher noch keine Untersuchungen. Im Rahmen des Projekts werden konkrete Empfehlungen zum Einsatz, der Grenzen sowie Hinweise zur verkehrssicheren Gestaltung der RiM erarbeitet.

Radfahrstreifen in Mittellage in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg

Ausgangssituation, Darstellung der Projektidee und -ziele

Zahlreiche Forschungsberichte zeigen, dass Abbiegeunfälle einen herausgehobenen Anteil am Unfallgeschehen mit Radverkehrsbeteiligung darstellen. Sehr häufig kommt es dabei zu Konflikten zwischen geradeausfahrenden Radfahrenden mit rechtsabbiegenden Fahrzeugen. Ein Ansatz, diesen Konflikt durch Entzerrung des Aufmerksamkeitsbereiches zu vermindern, ist der Einsatz von Radfahrstreifen in Mittellage, wobei der geradeausfahrende Radfahrende links vom rechtsabbiegenden Kfz geführt wird. Ob diese Führungsform tatsächlich die gewünschten positiven Sicherheitseffekte erzielt, wurde jedoch bisher noch nicht wissenschaftlich untersucht. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass z.B. Radfahrende diese Führungsform meiden und regelwidrig auf den Gehweg ausweichen. Außerdem ist auch noch unklar, ob das notwendige Überfahren des Radfahrstreifens durch die Kfz im Vorfeld des Knotenpunktes eventuell neue oder andere Sicherheitsprobleme erzeugt und damit keine Unfälle verhindert, sondern diese ggf. nur vor den Knotenpunkt verlagert.

Ziel dieses Projekts ist es daher, Untersuchungen durchzuführen, inwiefern Radfahrstreifen in Mittellage tatsächlich zur Verbesserung der Radverkehrssicherheit an Knotenpunkten beitragen können. Darüber hinaus werden Empfehlungen erarbeitet, unter welchen entwurfstechnischen und betrieblichen Rahmenbedingungen derartige Radverkehrsanlagen angewandt werden sollen und wie diese verkehrssicher zu gestalten sind. Die Untersuchungen werden in Berlin sowie in weiteren Städten, z. B. Darmstadt, Erfurt, Magdeburg und Münster, durchgeführt.

Projektdurchführung

Das Forschungsprojekt wird im Zeitraum 01.06.2015-31.05.2017 durchgeführt. Die wesentlichen Arbeitsschritte im Projekt können wie folgt beschrieben werden:

Beginnend mit einer nationalen und internationalen Literaturanalyse werden bereits vorhandene Forschungsarbeiten zur Thematik sowie die einschlägigen Richtlinien (u.a. ERA, RASt, StVO) im vorliegenden Kontext ausgewertet. Im nächsten Schritt erfolgt eine umfangreiche Bestandsaufnahme von Radfahrstreifen in Mittellage in ausgewählten Städten bzw. Kommunen. Diese Städte und Kommunen sind grundlegend durch einen unterschiedlichen Stellenwert des Radverkehrs sowie verschiedene Radverkehrsanteile und damit einhergehend auch mit einem unterschiedlichen Unfallgeschehen im Radverkehr gekennzeichnet. Dadurch können verschiedene allgemeine Randbedingungen und die sich ergebenden Zusammenhänge zum Unfallgeschehen mit einer ausreichenden Streuung berücksichtigt werden. Für die identifizierten Anwendungsbeispiele werden alle relevanten infrastrukturellen und betrieblichen Rahmenbedingungen erfasst, um daraus nachfolgend Kriterien für ein besonderes Unfallrisiko von Verkehrsteilnehmern abzuleiten. Die Radverkehrsanlagen werden abschließend nach noch festzulegenden Kriterien kategorisiert. Diese Clusterung der identifizierten Untersuchungsbeispiele dient zur Identifikation verschiedener typischer Entwurfssituationen und weiterer betrieblicher Rahmenbedingungen von Radfahrstreifen in Mittellage.

Als nächstes erfolgt eine Vorher-Nachher-Analyse des Unfallgeschehens auf makroskopischer Ebene für die Radverkehrsanlagen mit Radfahrstreifen in Mittellage, um Unterschiede im Unfallgeschehen vor/nach der Realisierung der Führung des Radfahrstreifens in Mittellage zu identifizieren. Dazu werden jeweils drei Jahre vor und nach der Implementierung betrachtet. Die Analyse umfasst dabei alle Radverkehrsunfälle im Bereich der gewählten Radverkehrsanlage. Die makroskopische Unfallanalyse beinhaltet u.a. Auswertungen nach Unfalltypen, -kategorien, -beteiligten (Alter, Geschlecht), -ursachen, -umständen (Unfallzeitpunkt, Lichtverhältnisse, Fahrbahnzustand) sowie Unfallverursachern. Ein wichtiger Fokus wird besonders auf die Veränderungen im Unfallgeschehen durch die Umsetzung von Radfahrstreifen in Mittellage gelegt. Dieser Vergleich des Unfallgeschehens sowie weitere Veränderungen in der Unfallstruktur werden erste Hinweise auf die Wirkung der untersuchten Maßnahme aufzeigen. Darüber hinaus werden besonders auffällige Verkehrssituationen in Abhängigkeit der gestalterischen Ausführung von Radfahrstreifen in Mittellage identifiziert. Dies ermöglicht Rückschlüsse darauf, wann aus Sicht des Unfallgeschehens unter welchen infrastrukturellen Randbedingungen ein besonderes Unfallrisiko gegeben ist und eröffnet zudem erste Ansatzpunkte für Maßnahmenempfehlungen zur Unfallvermeidung.

In einem weiteren Arbeitsschritt erfolgt eine mikroskopischen Unfallanalyse, die zum Ziel hat, weitere sicherheitsrelevante Aspekte im Unfallgeschehen von Radfahrstreifen in Mittellage (z. B. genaue Verortung des Unfalles, Flächennutzung der Unfallbeteiligten bzw. Identifizierung des tatsächlichen Konfliktpunktes, Regelverstöße) zu identifizieren. Dazu werden die Unfallhergangsbeschreibungen und Unfallskizzen systematisch ausgewertet und im Kontext der infrastrukturellen und betrieblichen Rahmenbedingungen betrachtet. Die mikroskopische Unfallanalyse wird ergänzende Informationen zum Unfallrisiko dieses speziellen Abbiegekonfliktes generieren und weitere Maßnahmenansätze zu deren Entschärfung ermöglichen. Die mikroskopische Unfallanalyse dient somit zum detaillierten Verständnis des Unfallgeschehens für den betrachteten Untersuchungsgegenstand, um weitere unfallbegünstigende Faktoren dieser konkreten Unfallsituation aufzuzeigen.

Aufbauend auf den Erkenntnissen der Unfalluntersuchungen erfolgt eine videobasierte Verkehrsverhaltensanalyse an ausgewählten Radfahrstreifen in Mittellage. Die Auswahl der konkreten Beobachtungsstandorte erfolgt hierbei unter Berücksichtigung des Unfallgeschehens sowie der zuvor durchgeführten Clusterung. Die Beobachtungen erfolgen an bereits bestehenden Anlagen. Intention dieses Vorgehens ist, die grundlegende Analyse der Akzeptanz dieser Radverkehrsführung durch Radfahrende. Hierbei gilt es die Frage zu klären, ob und wie die Radverkehrsanlage zwischen den geradeausfahrenden und rechtsabbiegenden Fahrzeugen genutzt wird und unter bestimmten Randbedingungen ggf. Hemmnisse zur Nutzung dieser Anlagen und somit deren Meidung vorhanden sind. Darüber hinaus erfolgt eine generelle Beobachtung des Verkehrsverhaltens der rechtsabbiegenden Kraftfahrzeuge sowie eine Bewertung der mit der Benutzung bzw. der Nichtbenutzung des Radfahrstreifens durch Radfahrende einhergehender Konflikte. Dabei ist vor allem auf das Blickverhalten der Kraftfahrzeugführer und das Fahrverhalten vor dem eigentlichen Kreuzungs- bzw. Konfliktpunkt beider Verkehrsteilnehmergruppen zu achten.

Ergänzt werden die Verkehrsverhaltensanalysen durch Vor-Ort-Befragungen von Radfahrenden. Im Zentrum des Interesses stehen u.a. die Wahrnehmung und die Bewertung des vorherigen Befahrens der Radverkehrsführung in Mittellage sowie die Auswirkungen auf das eigene Verkehrsverhalten und dessen Ursachen (z.B. Gründe für die Nichtnutzung). Zudem wird eine Einschätzung der Radfahrenden zum Verkehrsverhalten der anderen interagierenden Verkehrsteilnehmer und demzufolge das (subjektiv) wahrgenommene Konfliktpotential am befahrenen Knotenpunkten abgefragt.

Abschließend werden Empfehlungen zu Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgrenzen von Radfahrstreifen in Mittellage sowie Empfehlungen zu deren verkehrssicherer Gestaltung erarbeitet. Hierfür werden die Ergebnisse der zweistufigen Unfallanalyse sowie der empirischen Verkehrsverhaltensbeobachtung und Radfahrenden-Befragungen zusammengeführt und abschließend bewertet und in einem Abschlussbericht zusammengefasst.

Ausblick

Als wesentliches Projektziel werden Hinweise für kommunale Planungsbehörden und Entscheidungsträger zur Anlage von Radfahrstreifen in Mittellage erarbeitet und Maßnahmen zu deren verkehrssicheren Gestaltung gegeben. Neben den generellen Empfehlungen für die Anlage dieser Radverkehrsführung werden kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zur Minderung des Konfliktpotentials an bestehenden Anlagen definiert, welche somit zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten und Kommunen beitragen werden. Neben dem abschließenden Projektbericht erfolgt zum Projektende eine Präsentation und Diskussion der Ergebnisse mit Experten der Radverkehrsplanung und Verkehrssicherheit. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nach Projektabschluss bei der Weiterentwicklung der bestehenden Planungsregelwerke (insbesondere die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) herangezogen werden.

Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?

Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse des Radverkehrs in Städten und Kommunen, womit eine nachhaltige, städtische Mobilität und insbesondere der Radverkehr als alltägliches Verkehrsmittel gestärkt werden. Nach Projektende liegen Informationen zur sicheren Gestaltung von Radfahrstreifen in Mittellage vor. Darüber hinaus kann durch die Anwendung der wissenschaftlich abgesicherten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen in der kommunalen Planungspraxis gezielt in die sichere Umgestaltung von Knotenpunkten investiert werden.

Einsatzbereiche von Radfahrstreifen in Mittellage - Bilderstrecke

Bild / Video 01 / 02

Radfahrstreifen in Mittellage in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg

Finanzierung

Finanzierung

Bundesmittel

Gesamtvolumen

85.592 Euro

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert.

Evaluation

Ja. Geplanter Ablauf der Evaluation: Die Evaluation der vorliegenden Untersuchung "Einsatzbereiche von Radfahrstreifen in Mittellage" dient grundlegend zur Bewertung des Projektes, dessen Fortschritt und Zielerreichung. Die fortlaufende Projektevaluation wird grundsätzlich als Schnittstelle zwischen der Vorhabensbeschreibung und dem vorgesehenen Meilensteinplan und den im Evaluationskonzept definierten Zielen angesehen. Es werden Meilensteine zur Überprüfung der Zielerreichung im Projekt definiert. Die Ergebnisse der Evaluationsschritte und des Zielerreichungsgrades gilt es während der Projektlaufzeit im Rahmen der Abstimmungs- und Meilensteintermine zu diskutieren. Hierbei werden die festgelegten Projektziele den Zwischenergebnissen sowie den Endergebnissen gegenübergestellt. Dieser Vorgang dient auch der Überprüfung, ob sich die Ziele des Gesamtprojektes verändert haben.

Projektträger & Beteiligte

Projektdurchführende Institutionen

Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private

Projektleitung

TU Berlin - Institut für Land- und Seeverkehr, Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb

Laufzeit

Dauermaßnahme

Nein

Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation

Projektbeteiligte

Endbericht

Ansprechpartner auf Projektebene

Martin Mroß

TU Berlin - Institut für Land- und Seeverkehr

Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Gustav-Meyer-Allee 25

13355 Berlin

+49 (0)30/314-72561

http://www.strassenplanung.tu-berlin.de

Ansprechpartner auf Projektebene

Prof. Dr.-Ing. Thomas Richter

TU Berlin - Institut für Land- und Seeverkehr

Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb

Fachgebietsleiter

Gustav-Meyer-Allee 25

13355 Berlin

+49 (0)30/314-72604

http://www.strassenplanung.tu-berlin.de

Erscheinungsdatum: 27.7.2015

Autor: Dipl.-Ing. Martin Mroß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb der TU Berlin