RadOnTime - Wirkungen von Restzeitanzeigen auf den Radverkehr
Steuerung des Radverkehrs1.7.2017 - 1.9.2019
Bund bzw. bundesweit
12.9.2017
Ausgangssituation, Projektidee und ?ziele
In Zukunft ist mit einem weiter steigenden Anteil von Radfahrern am Verkehrsaufkommen zu rechnen. So ergab die jüngste Erhebung im Rahmen von Mobilität in Deutschland (MiD) eine Steigerung der Anzahl der mit dem Rad zurückgelegten Wege um 17 Prozent von 2002 bis 2008. Im urbanen Raum fällt diese Steigerung noch deutlicher aus. In München betrug sie laut dem Evaluationsbericht der Fahrradmarketingkampagne „Radlhauptstadt München“ beispielsweise 70 Prozent von 2002 bis 2011. Der nationale Radverkehrsplan 2020 (NRVP) prognostiziert eine mögliche Steigerung des Radverkehrs von 11 Prozent im Jahr 2013 auf 16 Prozent im Jahr 2020 in Bezug auf die Anzahl der Wege im städtischen Umfeld. Im Sinne einer nachhaltigen und gesundheitsfördernden Mobilität ist diese Entwicklung zu begrüßen und soll durch eine Steigerung der Attraktivität des Radverkehrs und die effiziente und sichere Führung aller Verkehrsteilnehmer weiter gefördert werden.
RadOnTime adressiert eine Steigerung der Attraktivität und Effizienz des Radverkehrs an signalisierten Knotenpunkten bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit von Radfahrern. Diese Ziele sollen mit Hilfe eines speziell auf Radfahrer abgestimmten Steuerungsansatzes erreicht werden. Hierzu wird die bestehende Infrastruktur an signalisierten Knoten um Restzeitanzeigen erweitert. Diese stellen für den Radfahrer optisch die verbleibende Zeit bis zum Freigabebeginn beziehungsweise die verbleibende Räumzeit dar. Die Restzeitanzeigen an Lichtsignalanlagen sollen Radfahrern so dabei helfen, ihre Geschwindigkeit taktisch anzupassen und Haltvorgänge zu vermeiden. Gleichzeitig sollen Rotlichtverstöße und sicherheitskritische Situationen mit im Konflikt stehenden Verkehrsströmen durch diese Maßnahme reduziert werden.
In Rahmen von RadOnTime werden die sicherheitsbezogenen und verkehrlichen Wirkungen der Steuerungsmaßnahmen im realen Verkehr und mithilfe einer Fahrradsimulator-Studie erforscht. Die Restzeitanzeigen werden an ausgewählten Versuchsknotenpunkten in München versuchsweise installiert. Mithilfe von Bewegungsabläufen aller Verkehrsteilnehmer, die automatisiert aus Videodaten extrahiert werden können, werden Effizienz- und Sicherheitsindikatoren ausgewertet und eingehend evaluiert. Die Akzeptanz und Bewertung verschiedener Ausprägungen der Maßnahme durch unterschiedliche Radfahrertypen werden mithilfe einer begleitenden Fahrradsimulator-Studie untersucht.
Durch eine prototypische Umsetzung soll eine Reduktion der Rotlichtverstöße und der Wartezeiten von Fahrradfahrern um jeweils 10 Prozent nachgewiesen werden. Damit einhergehend soll die Zahl der sicherheitskritischen Situationen signifikant reduziert werden.
Projektdurchführung
Der Arbeitsplan gliedert sich in drei Phasen, die Vorbereitungsphase, die Implementierungsphase und die Evaluierungsphase. Die Phasen sind in insgesamt sieben Arbeitspakete untergliedert, wobei das Arbeitspaket 0 die Projektleitung und Dokumentation umfasst und alle Projektphasen begleitet.
Die Vorbereitungsphase setzt sich aus zwei Arbeitspaketen zusammen, der Literaturrecherche (AP 1) und der Anpassung und Weiterentwicklung von Methoden zur Analyse des Radverkehrs (AP 2). Das Arbeitspaket 1 beinhaltet die Recherchen zur Literatur und dem Stand der Technik. Hierzu werden projektbezogene Themen, wie z.B. die Implementierung von Restzeitanzeigen und die Bewertung der Verkehrseffizienz und -sicherheit durch automatisierte Videodatenanalyse und mittels Fahrsimulator-Studien, recherchiert. Arbeitspaket 2 dient der Anpassung und Weiterentwicklung von Methoden zur Analyse des Radverkehrs und ist in drei Teile untergliedert, die sich mit der Anpassung der Hard- und Software eines vorhandenen Videodetektionssystems, der Abbildung der Untersuchungsszenarien in der Simulationsumgebung und der Anpassung des vorhandenen Fahrradsimulators beschäftigen.
In der zweiten Phase des Projektes, der Implementierungsphase, werden die Restzeitanzeigen im Testfeld eingerichtet und erprobt. In Arbeitspaket 3 werden Videodaten an den Versuchsknotenpunkten (Test- und Kontrollgruppe) vor und nach der Einrichtung von Restzeitanzeigen aufgezeichnet. Die rohen Videodaten werden ebenfalls in diesem Arbeitspaket mit der Software Traffic Intelligence verarbeitet, um die Bewegungsabläufe der einzelnen Verkehrsteilnehmer zu extrahieren. Arbeitspaket 4 dient der Einbindung der Restzeitanzeigen in die Signalisierung für Rad fahrende. In Arbeitspaket 5 werden Fahrradsimulator-Studien zur Erforschung der Reaktionen von Probanden auf unterschiedliche Szenarien und Ausprägungsalternativen durchgeführt.
Anschließend wird die im Projekt untersuchte Maßnahme in der Evaluierungsphase bewertet. In Arbeitspaket 6 werden hierzu die Erkenntnisse aus den Vorher-Nachher-Studien im Testfeld und aus den Fahrradsimulator-Studien ausgewertet.
Das Projekt soll nach 18 Monaten mit einer umfangreichen Evaluierung abgeschlossen werden. Im Sinne einer Vorher-Nachher-Analyse sollen die zu Beginn festgelegten Indikatoren zur Erhöhung der Verkehrseffizienz und -sicherheit des Radverkehrs sowie die empfundene Attraktivität der Radinfrastruktur ausgewertet werden. Das dokumentierte Wissen soll in Form eines Leitfadens öffentlich zugänglich gemacht werden, sodass andere Kommunen Aufwand und Nutzen der in RadOnTime untersuchten Maßnahme abschätzen können. Zur Veröffentlichung werden wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften und Konferenzen dienen, aber auch das Einbringen der Thematik von RadOnTime in den einschlägigen Gremien (z.B. FGSV).
Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?
In der aktuellen verkehrstechnischen Forschung wird die Bereitstellung von Informationen der Lichtsignalsteuerung hauptsächlich für den Individualverkehr im Rahmen kooperativer Systeme erforscht. Durch die Nutzung von Restzeitanzeigen sollen ähnliche Potentiale, insbesondere zur Steigerung der Verkehrsqualität und der Verkehrssicherheit, für den Radverkehr erschlossen werden. Zwar sind solche Anzeigesysteme im Ausland bereits im Einsatz, doch fehlen bisher detaillierte Untersuchungen im deutschen Raum. Im Rahmen dieses Projekts sollen daher die Wirkungen von Restzeitanzeigen mittels eines geeigneten Anzeigekonzepts untersucht werden.
Die Umsetzung und Erprobung der Maßnahme im realen Verkehr wird es ermöglichen, die zu erwartenden Wirkungen auf die Verkehrssicherheit und -effizienz zu quantifizieren. Dazu werden Randbedingungen bzw. Anforderungen für die erfolgreiche Umsetzung abgeleitet und in einem Leitfaden zusammengestellt.
Die Akzeptanz der Maßnahmen durch unterschiedliche Nutzergruppen wird mithilfe von Fahrradsimulator-Studien erforscht. Bisher wurden Simulatoren fast ausschließlich für die Erforschung des Verhaltens von motorisierten Verkehrsteilnehmern (Lkw, Pkw und Motorräder) und Fußgängern verwendet. Zwar sind Fahrradsimulatoren zum Zweck der Verkehrserziehung und des Fitnesstrainings bereits im Einsatz, doch liegen weltweit äußerst wenige Bespiele von verkehrswissenschaftlichen Untersuchungen vor. Im Rahmen dieses Projekt soll daher ein bereits bestehender Fahrradsimulator verwendet werden, um das Verhalten von Radfahrern in verschiedenen Situationen zu untersuchen.
Finanzierung
Finanzierung
Bundesmittel, Private Mittel (ohne Sponsoring und Spenden)
Gesamtvolumen
161.762 Euro
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020.
Evaluation
Ja. Die in RadOnTime erprobte Maßnahme wird umfangreich evaluiert. In Übereinstimmung mit dem Anwendungshandbuch „Evaluation zählt“ des Umweltbundesamtes wird dabei eine kontinuierliche Prozessevaluierung mit einer Wirkungsevaluierung verbunden. Die jeweiligen Konzepte werden im Folgenden näher erläutert.
Für die Wirkungsevaluierung werden die erhobenen Daten statistisch ausgewertet, um die untersuchte Maßnahme mit dem Basisszenario zu vergleichen. Als Basisszenario dienen die aktuellen Situationen an den Untersuchungsknotenpunkten ohne den Einsatz von Restzeitanzeigen. Indikatoren zur Quantifizierung der Verkehrssicherheit und -effizienz werden auf Basis der Literaturrecherche genau definiert. Zur Bestimmung der Verkehrseffizienz werden z.B. die Anzahl der Haltevorgänge, der Zeitverlust beim Anfahren der Radfahrer nach der Freigabe des Signals und die Reisezeiten beim Überqueren des Knotenpunkts analysiert. Rotlichtverstöße, die Reaktionen der Radfahrer beim Signalwechsel und die Interaktionen zwischen Verkehrsteilnehmern (z.B. TTC, PET, usw.) werden als Indikatoren für die Verkehrssicherheit herangezogen.
Bewegungsabläufe aller Verkehrsteilnehmer werden aus den Videodaten automatisiert extrahiert und anschließend korrigiert. Die gewählten Indikatoren werden aus den vorbereiteten Bewegungsabläufe berechnet. Nachdem die Restzeitanzeigen im Feld installiert sind, werden erneut Videodaten erhoben. Wiederum werden die Bewegungsabläufe extrahiert und die Indikatoren berechnet. Ein Vergleich der Vorher- und Nachher-Situation wird mithilfe der entsprechenden statistischen Tests (T-Test, ANOVA, usw.) angestellt.
Neben der Wirkungsevaluierung werden Prozessevaluationen bezüglich zweier Komponenten des Projekts durchgeführt. Zum einen werden die Erfahrungen beim Einrichten der Restzeitanzeigen im Feld ausführlich dokumentiert. Technische oder organisatorische Schwierigkeiten, die während der Installation oder dem Betrieb der Restzeitanzeigen auftreten können, sowie die Lösungsstrategien für diese Probleme werden beschreiben. Zum anderen werden die Untersuchungen mit dem Fahrradsimulator mithilfe einer Prozessevaluation kontrolliert. Obwohl die Weiterentwicklung und der technische Ausbau des Simulators innerhalb des Projekts RASCH stattfinden und evaluiert werden, wird in RadOnTime während der Versuchsdurchführung die Leistungsfähigkeit des Simulators kontinuierlich ausgewertet, um gegebenenfalls an geeigneten Komponenten Nacharbeiten vorzunehmen.
Die Wirkungsevaluierung der Maßnahme wird in der Form eines Leitfadens präsentiert. Hierbei werden die Randbedingung bzw. Anforderungen für die erfolgreiche Umsetzung der untersuchten Maßnahme beschrieben. Neuartige wissenschaftliche Erkenntnisse werden daneben als Konferenzbeiträge und Zeitschriftenartikel veröffentlicht.
Projektträger & Beteiligte
Projektdurchführende Institutionen
Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private
Projektleitung
Lehrstuhl für Verkehrstechnik der Technischen Universität München
Projektbeteiligte
Landeshauptstadt München (Assoziierter Projektpartner)
Laufzeit
Dauermaßnahme
Nein
Info zur Laufzeit
Die Restzeitanzeigen werden im Frühling/Sommer 2018 eingerichtet und getestet. Die genaue Laufzeit der Maßnahme wird von der Landeshauptstadt München beschlossen.
Ansprechpartner auf Projektebene
Heather Twaddle
Technische Universität München
Arcisstraße 21
80333 München
+49 89 289 22436
Erscheinungsdatum: 2.10.2017
Autor: Heather Twaddle, Lehrstuhl für Verkehrstechnik der Technischen Universität München