Schöner Verkehren
Social-Media-Kampagne für einen Perspektivwechsel1.6.2019 - 1.10.2021
Bund bzw. bundesweit
22.8.2022
Projektidee und -ziele
Viele Verkehrsteilnehmende kennen die geltenden Regeln im Straßenverkehr nur unzureichend, sind unsicher in ihrer Anwendung und nehmen die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anderer Verkehrsmittel wenig wahr. Dies zeigt sich z. B. in Social-Media-Beiträgen, in denen sich Meinungen oft gegenseitig bestätigen. Unwissenheit, gepaart mit Klischees und negativen Vorurteilen gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmenden, führt zu Konfliktsituationen im Straßenverkehr, die nicht nur unangenehm für alle Beteiligten sind, sondern auch ein Unfallrisiko darstellen.
Von einer Verschärfung dieser Konflikte ist durch den sich abzeichnenden Zuwachs von Radfahrenden und anderen Verkehrsmitteln des Umweltverbunds auszugehen: Eine Verkehrsverlagerung auf die nachhaltigen Verkehrsmittel des Umweltverbunds wird immer stärker von zahlreichen Initiativen der Zivilgesellschaft gefordert und zunehmend von der Politik, von den Kommunen, den Ländern und dem Bund gefördert.
In Berlin z. B. soll das im Juni 2018 beschlossene Mobilitätsgesetz helfen, den Umweltverbund durch Infrastruktur- und andere Maßnahmen gezielt zu fördern. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich bundesweit und vor allem in den Ballungsräumen ab.
Die Kommunikationskampagne „Schöner Verkehren“ tritt für die gegenseitige Rücksichtnahme auf der Straße ein, indem sie Gruppen von Verkehrsteilnehmenden separat anspricht und für die gegenseitigen Belange sensibilisiert. Zu den unterschiedlichen Gruppen von Verkehrsteilnehmenden zählen Zufußgehende, Auto- und Lkw-Fahrende sowie Radfahrende.
Das Hauptprodukt der Kampagne „Schöner Verkehren“ sind 15 Kurzfilme, jeweils etwa 45 Sekunden lang, die mit Ironie und Witz Konfliktsituationen zwischen den Nutzenden unterschiedlicher Verkehrsmittel aufzeigen. Die Filme wurden im Rahmen des Projekts konzipiert, produziert und größtenteils über die sozialen Medien verbreitet. Ein begleitender Text lieferte jeweils Hintergrundinformationen und Statistiken und ordnete die Situation in einen größeren Kontext ein.
Das Ziel war, die öffentliche Meinungsbildung und Klischees zu hinterfragen und die Wahrnehmung “der anderen” positiv zu beeinflussen.
Zur Festlegung der Inhalte der Kurzfilme wurden die häufigsten Konfliktsituationen im Straßenverkehr sowie die daran beteiligten Verkehrsmittel/-formen ermittelt. Deren Nutzerinnen und Nutzer sind gleichzeitig die Zielgruppen der Kurzfilme.
Bei der Auswahl der Konfliktsituationen galten folgende Kriterien:
- am häufigsten thematisiert (Kampagnenpartner/-innen, Foren, Polizeistatistiken)
- auffällig häufig kommentiert (Foren)
- als am dringendsten eingeschätzt (Projektteam und Mobilitätspartner/-innen)
Bilder und Filme können Menschen oft mehr als Worte bewegen. Daher sind die Filme innovativ und besonders ansprechend durch ihren humorvollen, ironischen Ansatz bei der Darstellung der Konfliktsituationen – humorvolle Botschaften prägen sich besser ein und führen eher zu Verhaltensänderungen als solche, die anprangern und/oder den „moralischen Zeigefinger“ benutzen.
Projektdurchführung
Die Kampagne wurde von Changing Cities e.V. in Kooperation mit den Kampagnenpartnern und -partnerinnen durchgeführt. Für die Verbreitung der Filme wurde die hohe Reichweite der sozialen Medien genutzt.
Inhaltlich setzte die Kampagne keinen regionalen oder geographischen Fokus. Sie zeigt Konfliktsituationen im städtischen Raum, die deutschlandweit gültig sind. Wahrgenommen wurde die Kampagne zu einem großen Teil durch Berliner Publikum. Unter anderem durch die überregionale Verankerung einiger Kampagnenpartnerinnen und -partner und das bundesweite Netzwerk der Radentscheid-Initiativen wurde die Kampagne aber auch bundesweit verbreitet.
Die Filme sind über die Laufzeit des Projekts hinaus auf der Website schoenerverkehren.de abrufbar und stehen auch zum Download bereit. Sie werden zudem für andere Institutionen, die sich mit dem Thema Mobilität im Straßenverkehr befassen, bereitgestellt.
Projekterfolge
Aus den anfangs recherchierten Konfliktsituationen entstanden 15 Filme mit den folgenden Titeln #roteampel, #lkw, #eckparken, #schnellfahren, #falschparken, #dooring, #ampelpha-sen, #elterntaxi, #sicherheitsabstand, #gehwegradeln, #zweitereiheparken, #geisterfahren, #handy, #öpnv, #drängeln.
Die Filme bestehen jeweils aus drei Teilen:
- Es wird eine Szene in einem Schwimmbad gezeigt, in der ein unfaires Verhalten dargestellt wird. Dadurch soll Aufmerksamkeit gewonnen werden, ohne direkt das hoch emotionalisierte und konfliktbehaftete Thema des unfairen Miteinanders im Straßenraum zu präsentieren.
- Das gleiche Verhalten wird im Straßenverkehr gezeigt - anhand einer Animation.
- Es wird eine häufig verwendete Ausrede zitiert, warum das Verhalten unproblematisch sei.
Mit der Verlegung der Konfliktsituation in ein anderes Lebensumfeld (Schwimmbad) wurde ein Perspektivwechsel angestrebt, der eine Verhaltensänderung bewirken und damit mittel- bzw. langfristig dazu beitragen kann, Konflikte im Straßenverkehr zu reduzieren.
Die Filme wurden in etwa ein- bis zweiwöchigem Abstand über die sozialen Medien veröffentlicht und geteilt. Sie erzielten sehr unterschiedliche Reichweiten (d.h. Accounts, die sie erreicht haben), auch die Anzahl der Ansichten unterscheidet sich sehr. Insgesamt wurden sie bis Ende der Projektlaufzeit mehr als 300.000 mal angesehen und erzielten eine Reichweite von über 550.000. Zusammen mit begleitenden Filmen (zu #roteampel und #ampelphasen) war die Zahl der Ansichten fast 400.000 und die Reichweite mehr als 800.000.
Die Befragung von zufällig ausgewählten Personen, die einen der Kampagnenfilme anschauten ergab, dass fast zwei Drittel der Befragten von den Filmen zum Nachdenken angeregt wurden. Zudem wurden die abgefragten Konfliktszenarien nach Ansehen der Kampagnenfilme als gefährlicher bewertet – somit kann die Kampagne durchaus dazu beitragen, die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden, insbesondere für Radfahrende und Zufußgehende, zu verbessern.
Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?
Die Kampagne „Schöner Verkehren“ ist nicht nur in ihrer ironischen, unterhaltsamen Ansprache innovativ, sondern auch durch die Thematisierung der Sichtweisen nahezu aller unterschiedlichen Verkehrsteilnehmenden.
Um alle Verkehrsteilnehmenden glaubwürdig anzusprechen wurden verschiedene Partnerinnen und Partner aus anderen Feldern der Mobilität eingebunden: ACV – Auto, VCD – Fahrrad, Fuß e.V. – Fußverkehr, BVG – ÖPNV, Polizei – Verkehrssicherheit. Diese kennen die spezifischen Bedürfnisse der Nutzenden des jeweiligen Verkehrsmittels und können sie über ihre Kommunikationskanäle auch gezielt erreichen. Innovativ ist auch, dass es sich um eine vorwiegend virale Kampagne handelt, bei der sich die Verbreitung von Inhalten auf Bewegtbild einerseits und auf die Sozialen Medien andererseits konzentriert. Die Zielgruppen werden in ihrem sozialen Umfeld erreicht, so dass eine höhere Aufmerksamkeit und Offenheit gegenüber den Inhalten erreicht werden kann – erst recht dann, wenn die Filme von Freunden geteilt und damit von einer bekannten Person „empfohlen“ wurden.
Schöner Verkehren - Bilderstrecke
Finanzierung
Finanzierung
Bundesmittel
Gesamtvolumen
259.452 Euro
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert.
Evaluation
Ja. Das Erreichen der oben genannten Ziele – Aufmerksamkeit und Verständnis gegenüber den Belangen, Bedürfnissen und Verkehrsregeln anderer Verkehrsteilnehmendengruppen schaffen – wird sowohl intern, d. h. von Projektmitarbeiter*innen, als auch extern, d. h. von einem projektexternen Wissenschaftler, ausgewertet.
Die interne Evaluation befasste sich vor allem mit der Reichweite der Kampagne in den sozialen Medien und wird darüber hinaus eine stichprobenartige Content-Analyse (Stimmungsbild) der Interaktionen durchführen.
Die externe Evaluation untersuchte die Wirkung der Filme auf die Rezipient*innen in Hinblick auf eine mögliche Bereitschaft zur Verhaltensänderung.
Projektträger & Beteiligte
Projektdurchführende Institutionen
Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private
Projektleitung
Changing Cities e.V.
Laufzeit
Laufend seit: Juni 2019
Abgeschlossen am: Oktober 2021
Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation
Projektbeteiligte
Ansprechpartner auf Projektebene
Yvonne Hagenbach & Henriette Maye
Changing Cities e.V.
Lychener Straße 74
10437 Berlin
+49 30 25781125
Erscheinungsdatum: 20.9.2019
Autor: Yvonne Hagenbach (Changing Cities e.V.)