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Effizienter Winterdienst (E-WIN)

Effizienter Winterdienst auf Radverkehrsanlagen in deutschen Städten am Beispiel der Stadt Hamburg
Projektzeitraum

1.8.2019 - 31.7.2022

Land

Hamburg

Stand der Information

21.9.2023

Logo "Modellvorhaben Nicht-Investiv" der Logofamilie Radverkehr des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Die Farbe des Logos ist lila. Neben dem Schriftzug deutet ein Kreis mit sich überlagernden Elementen ein Rad mit Speichen an.

Das Ziel des Forschungsvorhabens E-WIN war die Verbesserung der Sicherheit von Radfahrenden bei Schnee und Glätte sowie die Erhöhung der Attraktivität des Radfahrens in den Wintermonaten. Unterziele waren die Einordnung der Einflussfaktoren für die Nichtnutzung des Fahrrades im Winter und die Ermittlung eines geeigneten Streu- bzw. Taumittels für den Winterdienst auf Radwegen.

Beschreibung

Die Wirksamkeit des in vielen Kommunen eingesetzten Kieses als abstumpfendes Streumittel zur Minderung der Sturzgefahr von Radfahrenden stößt vielfältig an Grenzen und führt häufig nicht zu optimalen Ergebnissen. Im Gegenteil: Sowohl bei Eisglätte als auch nach dem Tauen des Schnees wird Kies oder Split von vielen Radfahrenden eher als ein zusätzliches Sicherheitsrisiko wahrgenommen, zumal dessen Beseitigung zum Teil recht viel Zeit in Anspruch nimmt. Abhilfe könnten andere Streu- bzw. Taumittel liefern. In Hamburg und vielen weiteren deutschen Kommunen ist der Einsatz von Tausalz oder tausalzhaltigen Streumitteln jedoch gemäß Gesetzgebung auf Geh- und Radwegen aus ökologischen Gründen untersagt und nur auf Fahrbahnen oder an besonders unfallträchtigen Stellen zulässig. Es sollte daher im Rahmen des Forschungsvorhabens erstmals die Nutzung alternativer Taumittel sowie abstumpfender Mittel für den radverkehrsspezifischen Winterdienst in Hamburg getestet werden. Diese alternativen Streumittel sollten sowohl ökologischen als auch funktionalen Anforderungen der Betreiber und der Radfahrenden genügen.

Projektdurchführung

Das Projekt wurde von August 2019 bis Juli 2022 durch die Hamburger Stadtreinigung (SRH) und ihre Tochterfirma HiiCCE Hamburg Institute for Innovation, Climate Protection and Circular Economy durchgeführt und von der Professur für Verkehrsökologie der Technischen Universität Dresden wissenschaftlich begleitet. Zunächst wurden geeignete Streustoffe und Mischverhältnisse bzw. Zusammensetzungen anhand einer Literaturrecherche identifiziert und im Labor der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) auf ihre Wirksamkeit und im Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersucht. Auf Basis der Literaturrecherche und Laboruntersuchungen wurden drei alternative abtauende Streustoffe identifiziert: Natriumformiat, Kaliumacetat, Calcium-Magnesium-Acetat (CMA). Zusätzlich wurde Natriumchlorid als Referenzstreustoff mit in die Versuche eingebunden.

Im Winter 2020/2021 wurden die vier Streustoffe zunächst auf den Betriebsgeländen von Airbus und der Hamburg Port Authority getestet. Radfahrende wurden direkt nach Befahren der Teststrecke zur Praxistauglichkeit befragt. Im Winter 2021/2022 wurden die Streustoffe im nächsten Schritt auf ausgewählten Radwegen im öffentlichen Raum getestet. Auch hier wurde eine Vor-Ort-Befragung von Radfahrenden in Bezug auf die Tauglichkeit für den Nutzer durchgeführt. Um die Untersuchungsergebnisse nach Projektende anwenden zu können und um die Übertragbarkeit auf andere Kommunen sicherzustellen, war die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit der alternativen Streustoffe von hoher Bedeutung. Die zuständigen Hamburger Behörden wurden daher intensiv in das Forschungsvorhaben eingebunden. Außerdem wurden operative Aspekte des Einsatzes der alternativen Streustoffe von der Stadtreinigung Hamburg bewertet.

Während der Praxiserprobung im öffentlichen Raum im Winter 2021/22 wurde das Projekt zudem von einer Kampagne für das Radfahren begleitet, um zu einer intensiveren Nutzung des Fahrrades auch im Winter zu motivieren.

Die wissenschaftliche Begleitung des Projektes übernahm die Technische Universität Dresden. Neben einer Befragung der kommunalen Radverkehrsbeauftragten, um aktuelle Verfahren und deren Grenzen zu erforschen, wurden auch Radfahrende online und vor Ort befragt, um Erfordernisse aus Nutzersicht abzudecken. Zusätzlich wurden die verwendeten Streumittel im Zuge einer Lebenszyklusanalyse auf ihre Umwelteinflüsse hin untersucht.

Projektergebnisse

Die Ergebnisse des Projekts sind in den folgenden beiden Dokumenten zusammengefasst:

Ausblick

Aufgrund der unglücklichen Wetterlage im Winter 2021/22 konnten nur wenig Testtage im öffentlichen Raum durchgeführt werden. Aufgrund des relativ geringen Erhebungsumfangs ist es zum jetzigen Zeitpunkt schwer, ein Fazit zu ziehen. Bisher deuten die Ergebnisse der Laboruntersuchungen und der Ökobilanzierung auf einen Zielkonflikt zwischen lokaler und globaler Schadwirkung hin. Keines der getesteten Taumittel war frei von negativen Wirkungen auf Böden. Die globalen Umweltwirkungen waren insgesamt allerdings deutlich negativer als für den Referenzstoff Natriumchlorid (NaCl). Hierbei ist einschränkend zu beachten, dass oftmals keine expliziten Herstellerangaben vorlagen. Wahrscheinlich ist zudem eine Kostensteigerung gegenüber NaCl und Kies – die Preise für die Beschaffung von Kleinmengen der alternativen Streumittel deuten jedenfalls in diese Richtung.

Weiterer Untersuchungsbedarf besteht aktuell zu den Auswirkungen der alternativen Streustoffe auf nicht fließende Gewässer. Dies wurde durch die Stadt Hamburg im Rahmen der Genehmigungsfähigkeit explizit gefordert, war allerdings nicht Bestandteil des vorliegenden Projekts.

Um die bestehenden Ergebnisse zu erhärten, ist eine Ausweitung der Tests auf den betrieblichen Maßstab sinnvoll. Dabei ist eine Fokussierung auf ein bis zwei alternative Streustoffe (Natriumformiat und/ oder Kaliumacetat), ggf. unter Berücksichtigung des Einsatzes eines Gemisches aus Flüssig- und Feststoffen ähnlich dem Feuchtsalz (siehe Versuche in Lübeck) anzuraten. Vorgeschlagen wird der Einsatz von standardisierter Technik zur Feinjustierung der ausgebrachten Streustoffkonzentrationen.

Des Weiteren ist eine Ausweitung der Tests auf weitere Kommunen angeraten. Insbesondere aufgrund anderer Wetterlage/Schneestabilität in Verbindung mit einer deutlichen Erhöhung der Analysetage kann so die Übertragbarkeit der Ergebnisse sichergestellt werden. Ergänzend zu den Nutzerbefragungen im Rahmen der Feldtests erscheinen zudem Griffigkeitsmessungen der einzelnen alternativen Taustoffe als sinnvoll.

Innovationscharakter des Projekts

Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?

Das Projekt vereint den Versuch, die Potenziale des Radverkehrs als klimafreundliches Verkehrsmittel auch im Winter zu stärken, mit dem Ansatz, möglichst umweltverträglich für die größtmögliche Sicherheit der Radfahrenden zu sorgen.

Finanzierung

Gesamtvolumen

373.295,57 Euro

davon Zuwendung:
326.012,06 Euro

davon TU Dresden:
136.878,00 Euro

davon Stadtreinigung HH:
189.134,06 Euro

Eigenmittel: 47.283,51 Euro (Stadtreinigung HH)

Bundesmittel

326.012,06 Euro

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert.

Evaluation

  • Da das Projektziel die Identifikation und Auswahl von alternativen Taustoffen zu NaCl war, diese Alternative während der Projektlaufzeit jedoch nicht flächendeckend zum Einsatz kommen konnte, wurde der Ansatz einer Prozessevaluation gewählt.
  • Wissenschaftliche Begleitung: Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit mehreren Forschungseinrichtungen durchgeführt.
  • Angebotsanalyse: Der Status-Quo des Winterdiensts auf Radwegen wurde mittels einer Onlineumfrage ebenso abgefragt wie die Bedarfe der Radfahrenden.
  • Einbezug von Fachleuten: Die methodischen Ansätze zur Streumittelauswahl wurden in interdisziplinären Teams und Arbeitskreisen diskutiert und die Auswahl anschließend durch Laboruntersuchungen (Tauleistung/Bodenkunde) untermauert.
  • Praxistests: Die als einsatzfähig identifizierten alternativen Streumittel wurden auf Radverkehrsanlagen der Stadt Hamburg abschnittsweise getestet und durch Radfahrende bewertet.
  • Der Ansatz konnte drei Alternativen identifizieren, jedoch wurden für eine Genehmigung durch die Stadt Hamburg weitere Tests gefordert, die noch durchzuführen sind.
  • Erst im Anschluss, und wenn die Alternative in Hamburg flächendeckend im Einsatz ist, kann eine Ergebnisevaluation erfolgen. Hierfür sollte die Anzahl der Radfahrenden an Zählstellen mit dem jeweiligen Ohne-Fall verglichen werden.

Projektträger & Beteiligte

Projektdurchführende Institutionen

Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private

Projektleitung

Stadtreinigung Hamburg

Projektbeteiligte

  • Stadtreinigung Hamburg
  • Hamburg Institute for Innovation, Climate Protection and Circular Economy
  • Technische Universität Dresden, Professur für Verkehrsökologie,
  • Technische Universität Dresden, Professur für Verkehrspsychologie
  • Technische Universität Dresden, Professur für Diagnostik und Intervention

Laufzeit

Dauermaßnahme

Nein

Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation

Ansprechpartner auf Projektebene

Sven Lißner

Technische Universität Dresden, Professur für Verkehrsökologie

01062 Dresden

035146336929

Kommunale Ansprechpartner

Britta Peters

Senior Advisor

Stadtreinigung Hamburg / HiiCCE Hamburg Institute for Innovation, Climate Protection and Circular Economy

Bullerdeich 19

20537 Hamburg

040 25761752

Hamburg Institute for Innovation, Climate Protection and Circular Economy

Erscheinungsdatum: 30.9.2019

Autor: Britta Peters (Stadtreinigung Hamburg / HiiCCE)