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Untersuchung der Dunkelziffer sicherheitskritischer Ereignisse zwischen Radfahrenden, Radfahrenden und Pkw, Fußgängern sowie ÖPNV

DRadEsel
Projektzeitraum

1.8.2019 - 1.9.2021

Land

Bund bzw. bundesweit

Stand der Information

17.8.2019

Logo "Modellvorhaben Nicht-Investiv" der Logofamilie Radverkehr des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Die Farbe des Logos ist lila. Neben dem Schriftzug deutet ein Kreis mit sich überlagernden Elementen ein Rad mit Speichen an.

Konzeption eines Leitfadens und deutschlandweite Erhebung der Dunkelziffer sicherheitskritischer Situationen Radfahrender an urbanen Verkehrsknotenpunkten unter Berücksichtigung personeller, infrastruktureller und zeitlicher Einflussfaktoren sowie des subjektiven Sicherheitsempfindens.

Radfahrer auf der Straße

Sicherheitskritische Verkehrssituationen stellen für Radfahrende keine Ausnahme dar, sondern sind ein Problem, mit dem viele Radfahrende täglich konfrontiert werden (Aldred & Crosweller, 2015). Das kann sich schließlich sogar negativ auf die Radfahrmotivation auswirken. Sicherheitskritische Ereignisse umfassen laut Werneke und Kollegen (2015) unangenehme und/oder beängstigende Situationen, in denen Radfahrerende ein hohes subjektives Gefährdungsrisiko, potenziell in einen Unfall verwickelt zu werden, empfinden. Ein solches Ereignis muss nicht unbedingt zu einem Unfall oder gar einer Verletzung mit Krankenhausaufenthalt führen.

Die Häufigkeit aller sicherheitskritischen Situationen im Radverkehr kann mit den bisher gängigen eingesetzten Methoden nicht quantifiziert und abgebildet werden. Dies führt zu einem „Underreporting“ das in erheblichem Maße Aussagen über die Wirksamkeit von Maßnahmen der Verkehrsplanung verzerren und damit potentiell notwendige infrastrukturelle Änderungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit behindern kann.

So variierte z.B. der prozentuale Anteil nicht berichteter Verletzungen von Radfahrenden in Online-Befragungen zwischen den verschiedenen Ländern besonders stark. Mit 35 Prozent nicht polizeilich registrierter Unfälle weist Deutschland dabei den höchsten Wert auf (Shinar et al., 2018). Aufgrund der hohen Varianz ist eine Übertragbarkeit von internationalen Studien zum Ausmaß des Underreportings nur eingeschränkt möglich (von Below, 2016).

Daher ist es das Ziel des Forschungsvorhabens DRadEsel, eine möglichst repräsentative Aussage über die Häufigkeit von sicherheitskritischen Situationen zwischen Radfahrenden untereinander, Radfahrenden und Pkw-Fahrenden, zu Fuß Gehenden und dem ÖPNV zu machen. Darüber hinaus sollen neue Erkenntnisse zu personellen, infrastrukturellen und zeitlichen Einflussfaktoren auf die Dunkelziffer und das Sicherheitsempfinden der Radfahrenden gewonnen werden.

Hierfür wird ein Erhebungsinstrument für eine Beobachtungsstudie inklusive eines Leitfadens für halbstandardisierte Interviews konzipiert, das im Rahmen eine Machbarkeitsstudie im Herbst 2019 getestet und weiterentwickelt wird. Ziel des Erhebungsinstruments für die Beobachtung ist es, sicherheitskritische Situationen objektiv möglichst umfassend zu erfassen und potentielle Einflussfaktoren zu integrieren. Im Fokus des halbstandardisierten Interviews liegen das Sicherheitsempfinden der Radfahrerenden an urbanen Kreuzungssituationen sowie Verbesserungsvorschläge zur Gestaltung der Infrastruktur und Ideen für innovative technologische Lösungen. Ein Schulungsleitfaden wird die Erfolgsfaktoren und Hemmnisse dokumentieren und das Erhebungsinstrument erläutern.

Mit Hilfe des optimierten Erhebungsinstruments wird im Projektjahr 2020 eine repräsentative Beobachtungsstudie in drei deutschen Großstädten durchgeführt. In die Konzeption der Beobachtungsstudie und die Auswahl der Städte wird der Aspekt der Fahrradfreundlichkeit einfließen, d.h. dass drei Städte ausgewählt werden, die im Fahrradklimatest unterschiedliche Ergebnisse erzielt haben.

Abschließend werden die Daten im Hinblick auf die Häufigkeit sicherheitskritischer Situationen von Radfahrenden untersucht und der Einfluss personeller, infrastruktureller und zeitlicher Faktoren mit Hilfe statistischer Analysen bestimmt. Es werden Zusammenhänge zwischen den Angaben der Radfahrenden zum Sicherheitsempfinden im Allgemeinen als auch während einer sicherheitskritischen Situation betrachtet. Neben der wissenschaftlichen Verwertung auf Fachtagungen und Konferenzen werden aus den Ergebnissen letztlich Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen für Kommunen abgeleitet und verbreitet.

Quellen

  • Aldred, R., & Crosweller, S. (2015). Investigating the rates and impacts of near misses and related incidents among UK cyclists. Journal of Transport & Health, 2(3), 379-393.
  • Below, A. V. (2016). Verkehrssicherheit von Radfahrern-Analyse sicherheitsrelevanter Motive, Einstellungen und Verhaltensweisen. BASt-Bericht M 264
  • Shinar, D., Valero-Mora, P., van Strijp-Houtenbos, M., Haworth, N., Schramm, A., De Bruyne, G., ... & Fyhri, A. (2018). Under-reporting bicycle accidents to police in the COST TU1101 international survey: Cross-country comparisons and associated factors. Accident Analysis & Prevention, 110, 177-186.
  • Werneke, J., Dozza, M., & Karlsson, M. (2015). Safety–critical events in everyday cycling–Interviews with bicyclists and video annotation of safety–critical events in a naturalistic cycling study. Transportation Research Part F: Traffic Psychology and Behaviour, 35, 199-212.

Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?

Der Innovationscharakter des Projekts DRadEsel liegt in der methodischen Herangehensweise zur Erhebung sicherheitskritischer Situationen. Bisher wurden auch für die Ermittlung der Häufigkeit nicht-registrierter sicherheitskritischer Ereignisse vor allem Unfallberichte aus Krankenhäusern herangezogen. Alleinunfälle und sicherheitskritische Situationen, bei denen es nicht zu einem Krankenhausaufenthalt kommt, werden damit allerdings nicht erfasst. Da für infrastrukturelle Änderungen zumeist Unfallzahlen als ausschlaggebende Kenngröße herangezogen werden, wird die Einbeziehung der Dunkelziffer bereits gefordert (Baier et al., 2013) Jedoch ist eine repräsentative Datengrundlage für die Auftretenshäufigkeit (Prävalenz) innerhalb Deutschlands ist nicht vorhanden. Darüber hinaus ist das Projekt innovativ, da weitere potentielle Einflussfaktoren auf die Unfall-Dunkelziffer einbezogen werden sollen. Kenntnisse über solche Faktoren ermöglichen es Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit gezielt durchzuführen – sowohl infrastrukturelle als auch kommunikative Maßnahmen. Weiterhin untersucht das Projekt bewusst den Zusammenhang zwischen der Auftretenshäufigkeit sicherheitskritischer Situationen und der Fahrradfreundlichkeit einer Stadt – gemessen an den Fahrradklima-Test Bewertungen.

Die Nachhaltigkeit des Projekts zeigt sich in mehrerlei Hinsicht: Die assoziierten Partner Empfehlungen zur Ausgestaltung der Radinfrastruktur. Dies betrifft vor allem Empfehlungen zu baulichen Maßnahmen bzw. infrastrukturellen Änderungen sowie zu fahrzeug- bzw. radseitigen Hard- und Software-Lösungen. Die Veröffentlichung dieser Gestaltungs- und Handlungsempfehlungen für spezifische Verkehrsknotenpunkte gewährleistet, dass die Inhalte und Ergebnisse des Projekts DRadEsel über die Projektlaufzeit hinaus für verschiedene unbeteiligte Interessengruppen öffentlich zugänglich sind. Darüber hinaus wird das im Projekt entwickelte Erhebungsinstrument (Beobachtungs- und Interviewinstrument) mit dem Schulungsleitfadens öffentlich zugänglich gemacht und kann genutzt werden, um Verkehrssituationen in weiteren Städten zu evaluieren. Die Veröffentlichung des Erhebungsinstruments versteht sich als eine bewusste Aufforderung zur Nachahmung, um einen möglichst umfassenden Überblick über die Häufigkeit sicherheitskritischer Situationen von Radfahrenden zu erhalten.

Der Aspekt der Übertragbarkeit der Ergebnisse wird explizit auf analytisch-statistischer Ebene betrachtet, indem verschiedene deutsche Städte für die Beobachtungsstudie ausgewählt und die Auftretenshäufigkeiten sicherheitskritischer Situationen für spezifische Verkehrsknotenpunkten zwischen diesen Städten verglichen werden.

Quellen

Finanzierung

Finanzierung

Bundesmittel

Gesamtvolumen

226.456 Euro

Das Projekt wird aus Mitteln des Nationalen Radverkehrsplans 2020 durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert.

Evaluation

Ja. Die Projektevaluation findet im Rahmen von Wirkungs- und Prozessevaluationen statt.

Zur Überprüfung der Wirksamkeit des entwickelten Erhebungsinstrumentes ist eine prozessbegleitende Evaluation im Rahmen der Machbarkeitsstudie vorgesehen. Hemmnisse und Erfolgsfaktoren werden dokumentiert und fließen in die Erstellung des finalen Erhebungsinstruments ein. Zusätzlich werden diese in Form eines Leitfadens präsentiert. Dabei werden Anforderungen und Randbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung der stationären Beobachtungsstudie beschrieben, um die Übertragbarkeit auf weitere Situationen und Städte zu gewährleisten.

Darüber hinaus wird ein interdisziplinärer Projektbeirat gebildet, welcher kontinuierlich in die Konzeption und auch Evaluierung des Erhebungsinstruments sowie die Entwicklung des Erhebungskonzepts der repräsentativen Beobachtungsstudie aktiv einbezogen wird. Die aus den Ergebnissen folgenden Ableitungen von Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen werden stets durch die interdisziplinäre Expertise des Projektbeirats mitgestaltet.

Für die Wirkungsevaluierung werden die erhobenen Daten der repräsentativen Beobachtungsstudie statistisch ausgewertet, um den Einfluss von infrastrukturellen, personellen und zeitlichen Einflussfaktoren zu bestimmen. Im Spezifischen wird der Einfluss der Kreuzungssituationen (vier verschiedene Kreuzungstypen in jeweils drei Städten) betrachtet. Das allgemeine Sicherheitsempfinden Radfahrender wird für ausgewählte Kreuzungssituationen repräsentativ erfasst, womit die Wirkung gewisser infrastruktureller Gegebenheiten auf die Radfahrenden untersucht werden kann. Diese werden im Rahmen der persönlichen Interviews nach infrastrukturellen Optimierungsmöglichkeiten sowie nach Ideen zu neuen technologischen Entwicklungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit befragt. Ihre Antworten werden im Projektbeirat von anderen im Rahmen des NRVP geförderten Projekten aufgenommen und sollen von diesen evaluiert werden.

Projektträger & Beteiligte

Projektdurchführende Institutionen

Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private

Projektleitung

Prof. Dr. J. F. Krems, Technische Universität Chemnitz, Professur Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie

Projektbeteiligte

  • ADFC Chemnitz e.V.
  • IAOV Chemnitz
  • Stadt Chemnitz (Abteilung Tiefbauamt)
  • Technische Universität Berlin
  • Ludwig-Maximilian-Universität München

Laufzeit

Dauermaßnahme

Nein

Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation

Ansprechpartner auf Projektebene

Maria Kreußlein

TU Chemnitz

Professur Allgemein Psychologie und Arbeitspsychologie

Wilhelm-Raabe-Straße 43

09120 Chemnitz

0371-531 34269

Kommunale Ansprechpartner

Alexander Kirste

Stadt Chemnitz

Tiefbauamt Abt. Verkehrsplanung

Bahnhofstraße 25

09111 Chemnitz

Erscheinungsdatum: 28.10.2019

Autor: Maria Kreußlein, Sabine Springer, Tina Frenzel (Technische Universität Chemnitz)