Beschreibung
Die Bewältigung des zunehmenden Mobilitätsbedarfs stellt eine große Herausforderung dar, für die es neben technischen Anpassungen insbesondere nachhaltige Veränderung unseres Mobilitätsverhaltens und einer zukunftsfähigen Mobilitätskultur bedarf. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Mobilitätsbildung. Anders als in der klassischen Verkehrserziehung steht hier nicht allein die Vermittlung von Verkehrsregeln und Kompetenzen zur Unfallvermeidung im Fokus, vielmehr sollen Lernende befähigt werden, selbstbestimmt Mobilitätsentscheidungen zu treffen und deren Folgen für sich und die Umwelt zu reflektieren. Eine umfassende Mobilitätsbildung fördert Rad- und Fußverkehr durch gezielte Angebote und verankert nachhaltige Mobilität frühzeitig im Sozialisationsprozess und Alltag von Kindern und Jugendlichen.
Ziel dieses Projekts war es, vorhandene Verkehrserziehungs-Konzepte aufzugreifen und mit allen beteiligten Gruppen zu einem umsetzbaren, ganzheitlichen Mobilitätsbildungsmodell weiter zu entwickeln. Um dabei fachliche sowie didaktische Perspektiven auf Mobilitätsbildung in Einklang zu bringen, wurde das Projekt gemeinsam vom Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung (Technische Universität Berlin) und dem Fachgebiet Sachunterricht & seine Didaktik (Humboldt-Universität zu Berlin) umgesetzt. Der Projektansatz baute auf dem konzeptionellen Ansatz Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung der Bildungsregion Berlin-Brandenburg auf. Praktisch ging es zunächst um die Identifikation von Leerstellen und Herausforderungen bei der Umsetzung von Mobilitätsbildung. Mit den aus der Dokumenten- und Akteursanalyse gewonnenen Erkenntnissen wurden gemeinsam mit Expert:innen und Praktiker:innen Lehr- und Lernansätzen für den Kita- und Grundschulbereich entwickelt und (angehende) Grundschullehrkräfte und Verkehrsplaner:innen in Studienprojekten qualifiziert.
Arbeitsplan
Die Durchführung des interdisziplinären Projektes der TU und Humboldt-Universität Berlin erfolgte nach folgendem Arbeitsplan:
AP 1 Literaturrecherche und Grundlagen
Zunächst wurde eine tragende Grundlage für die Projektumsetzung geschaffen, indem die inhaltlichen Perspektiven und Positionen der Erziehungswissenschaft und der Integrierten Verkehrsplanung in einem gemeinsamen Fachartikel zur Konzeption von Mobilitätsbildung zusammengeführt wurden.
AP 2 Rekonstruktion und Publikation von Strukturen und Ressourcen
Anschließend wurde ein detailliertes Verständnis von bisherigen Unterrichtsmaterialien und -gestaltungen in Grundschulen, Verkehrsschulen und Universitäten sowie bisheriger Mobilitätsbildungsbezüge in Kitas erlangt. Es wurden Interviews mit Lehrkräften, Erziehende und Akteure aus dem Bereich Mobilitätsbildung geführt und Dokumente, wie bereits existierende Materialien, aber auch Rahmenvorgaben und Programme, analysiert. Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wurde das „Berliner Modell zur Mobilitätsbildung“ entworfen.
AP 3 Entwicklung von Materialien und Konzepten
Im nächsten Schritt wurden mittels der zuvor getätigten Forschung und der Modellentwicklung anwendungsfertige Materialien und Konzepte gemeinsam mit Lehrkräften und Erzieher:innen erarbeitet und Implementationsmöglichkeiten in den Unterricht anhand der Vorgaben im Rahmenlehrplan und des Bildungsprogramms aufgezeigt. Das entwickelte Materialpaket „mobiLogbuch“ besteht aus dem mobiLogbuch für Kita- und Grundschulkinder, der dazugehörigen Handreichung für Lehrkräfte und Erzieher:innen sowie ergänzenden Impulskarten. Darüber hinaus wurden ab dem Sommersemester 2022 bis einschließlich Wintersemester 2023/2024 Studienprojekte durchgeführt, bei denen angehende Lehrkräfte und Planer:innen praktisch an verschiedenen Berliner Grundschulen und einem Förderzentrum tätig waren.
AP 4 Wissenschaftliche Implementationsbegleitung und Evaluation
In dieser Arbeitsphase erfolgte die Erprobung und Evaluation der entwickelten Materialien und Konzepte anhand vorab benannter Kriterien und regelmäßiger Rücksprache sowie summativ anhand eines Fragebogens mit offenen, halboffenen und geschlossenen Fragen. Darüber hinaus wurden Implementationsworkshops durchgeführt.
AP 5 Handlungsempfehlungen und Leitfaden Mobilitätsbildung
Ziel des letzten Arbeitspaketes war es, die vorherigen Ergebnisse zusammenzufassen und daraus Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche Implementation von Mobilitätsbildung abzuleiten. Dies erfolgte anhand der umfassenden Handreichung zum mobiLogbuch und dem Tagungsband „Mobilitätsbildung in der Elementar- und Primarstufe – eine Bilanz“ (in Erscheinung – Stand September 24) der im November 2023 eigens durchgeführten interdisziplinären Tagung, die einen Überblick über den aktuellen Stand des Themas Mobilitätsbildung in Wissenschaft und Praxis gegeben hat und eine Vernetzung der Vertreter:innen aus Wissenschaft, Verwaltung, von Vereinen und Verbänden, der Polizei, von Planungsbüros und außerschulischen Freizeiteinrichtungen sowie Lehrkräften und Erzieher:innen ermöglichte.
Nach Abschluss des Projektes steht das Materialpaket mobiLogbuch auf verschiedenen Internetseiten digital zur Verfügung: Humboldt-Universität, auf dem Projektblog, beim Bildungsserver Berlin-Brandenburg sowie beim VCD. Eine Printversion kann an der HU angefordert werden. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse des Projektes in unterschiedlichen Fachbeiträgen aufbereitet sowie sind zentrale Erkenntnisse auf dem Projekt eigenem Blog wiederzufinden.
Das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans 2020 war es, den Radverkehr attraktiver und sicherer zu machen sowie den Umweltverbund aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr insgesamt zu stärken. Dabei geht es auch um eine integrierte Verkehrs- und Mobilitätspolitik, wobei der Radverkehr einen Hauptbestandteil darstellt. Diese allgemeinen Ziele einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung wurden in dem vorliegenden Projekt verfolgt sowie der Fokus auf den Bildungs- und Sozialisationsprozess junger Menschen gelegt. Dabei berührt das Projektvorhaben in unterschiedlicher Intensität zwei der in dem konkreten Projektaufruf genannten Themenbereiche, nämlich die Schnittstelle zwischen Fahrrad- und Fußverkehr (Förderschwerpunkt), aber insbesondere den großen Themenbereich der Mobilitätsbildung (Förderschwerpunkt). Die Projektziele konnten ebenso wie die definierten Projektmeilensteine erreicht werden, auch wenn Projektinhalte und Zeitschiene angepasst werden mussten.
Im Bereich Mobilitätsbildung sind große Forschungslücken in der Fachdidaktik sowie in der Fachwissenschaft vorhanden, die im Zuge des Projektes aufgrund des Umfangs der Aufgabe nur teilweise geschlossen werden konnten.
Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?
Das Projekt strebte an, die bisher zu oft getrennt voneinander tätigen Akteurinnen und Akteure der verschiedenen verkehrlichen Bildungs- und Erziehungsinstanzen in ein integriertes, zukunftweisendes Mobilitätsbildungskonzept einzubinden, dessen Ziel es ist, auf Nachhaltigkeit gerichtete Mobilitätskompetenz zu vermitteln. Dafür wurden Perspektiven erfasst, die bisher vernachlässigt wurden: Indem danach gefragt wurde, was von Lehrkräften, Erzieherinnen und weiteren Akteuren als relevant in der Mobilitätsbildung wahrgenommen wird, konnten Erklärungen dafür generiert werden, wie die bisherige Differenz zwischen Konzeption und Umsetzung zu erklären ist. Weiterhin galt es, auch Verkehrsschulen über ihre traditionellen Inhalte und Kompetenzfelder hinaus zu Akteurinnen und Akteuren nachhaltiger Mobilitätsbildung zu qualifizieren. Dies ist nur zum Teil gelungen. Verkehrsschulen wurden bei den Interviews berücksichtigt, aufgrund der heterogenen Struktur und der personellen Situation der Einrichtungen konnten diese jedoch nicht systematisch einbezogen werden. Die entwickelten Lehr- und Lernmaterialien sowie die Handreichung können deutschlandweit von Kindern zwischen ca. vier bis zwölf Jahren genutzt werden. Bei der Formulierung der Materialien wurde darauf geachtet, dass Begriffe verwendet werden, die nicht spezifisch für eine Region sind (z.B. anstatt Kiez wurde Nachbarschaft verwendet) und somit eine Übertragung auf andere Kommunen und Städte möglich ist.
Zur Bekanntmachung des Materialpaktes, Streuung der Projektergebnisse sowie der Vernetzung von ganz unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren im Bereich Mobilitätsbildung wurde am 20.11.2023 die ganztägige interdisziplinäre Abschlusstagung „Mobilitätsbildung in der Elementar- und Primarstufe“ veranstaltet. Das Projekt konnte unter anderem mit der Tagung einen positiven Anstoß für einen umfangreichen Austausch und eine interdisziplinäre Vernetzung liefern.
Bilder aus dem Projekt MoBild
Finanzierung
Finanzierung
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert.
Gesamtvolumen
659.413 Euro. Davon erhält die TU Berlin 391.803 Euro und die HU Berlin 267.609 Euro.
Evaluation
Ja. Die Mitarbeitenden der beiden Fachgebiete tauschten sich ein bis zwei Mal wöchentlich bei gemeinsamen (Video)-Treffen aus und reflektierten dabei das Erreichte sowie die bevorstehenden Arbeitsschritte. Ca. einmal im Monat fand die „Große Runde“ gemeinsam mit den Professorinnen und Professoren der jeweiligen Disziplinen statt. Hierbei wurde die Teamdynamik genauso reflektiert wie die Arbeitsprozesse und Kommunikation im Team. Beim abschließenden Termin mit den Projektmitarbeitenden und den Professorinnen („Große Runde“) wurde das Projekt sowie die Zusammenarbeit in einer mündlichen Rücksprache evaluiert.
Ein Projektbeirat wurde am Anfang des Projektes gegründet, der als externes Fachgremium bei wichtigen Weichenstellen konsultiert werden konnte und die Projektumsetzung aktiv unterstützte und begleitete. Es fanden sechs Beiratstreffen während der Projektlaufzeit statt. Darüber hinaus unterstützten einige Beiratsmitglieder das Projekt-Team über die genannten Termine hinaus und waren beratend tätig.
Projektträger & Beteiligte
Projektleitung
- Technische Universität Berlin, Fachgebiet für Integrierte Verkehrsplanung
- Humboldt-Universität zu Berlin, Sachunterricht & seine Didaktik
Laufzeit
Die Projektlaufzeit begann im Juli 2020 und endete am 31.05.2024. Die Einstellung an der HU Berlin erfolgte früher als an der TU Berlin.
Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation
mobiLogbuch
Handreichung zu, Materialpaket mobiLogbuch
Impulskarten zum Materialpaket mobiLogbuch
Ansprechpartnerin auf Projektebene
Prof. Dr.-Ing. Christine Ahrend
Technische Universität Berlin
Salzufer 17-19
10587 Berlin
+49 30 314-77004
Ansprechpartner auf Projektebene
Prof. Dr. Detlef Pech
Humboldt-Universität zu Berlin
Friedrichstraße 194-199
10117 Berlin
49 (0)30 / 2093 - 66808
Erscheinungsdatum: 13.9.2024
Autor: Verena Röll, TU Berlin